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1 Battle Camp S1: Reality Rivalries with Dana Moon & QT 1:00:36
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Do you have fond childhood memories of summer camp? For a chance at $250,000, campers must compete in a series of summer camp-themed challenges to prove that they are unbeatable, unhateable, and unbreakable. Host Chris Burns is joined by the multi-talented comedian Dana Moon to recap the first five episodes of season one of Battle Camp . Plus, Quori-Tyler (aka QT) joins the podcast to dish on the camp gossip, team dynamics, and the Watson to her Sherlock Holmes. Leave us a voice message at www.speakpipe.com/WeHaveTheReceipts Text us at (929) 487-3621 DM Chris @FatCarrieBradshaw on Instagram Follow We Have The Receipts wherever you listen, so you never miss an episode. Listen to more from Netflix Podcasts.…
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1 Sternengeschichten Folge 650: Albert Einstein, das CCD und die moderne Astrofotografie 15:21
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Licht und Strom: Tolle Kombination Sternengeschichten Folge 650: Albert Einstein, das CCD und die moderne Astrofotografie Im Jahr 1905 hat Albert Einstein über die Natur des Lichts nachgedacht. Im Jahr 1969 wollten ein kanadischer und ein amerikanischer Physiker einen besseren Computerspeicher entwickeln. Zusammen haben diese drei nicht nur drei Nobelpreise bekommen, sondern auch die Astronomie und bis heute unseren Alltag revolutioniert. Die Geschichte beginnt aber in der Vergangenheit und zwar im Jahr 1839. Damals hat der französische Physiker Alexandre Edmond Becquerel festgestellt, dass zwischen zwei Elektroden eine elektrische Spannung entsteht, wenn eine davon mit Licht bestrahlt wird. Was da genau abgeht, konnte er allerdings nicht erklären. 1887 hat der deutsche Physiker Heinrich Hertz ein ähnliches Phänomen bei Experimenten mit ultravioletten Licht gefunden. Erstmals systematisch untersucht hat die Angelegenheit ab 1899 der deutsche Physiker Philipp Lenard. In seinen Experimenten hat er festgestellt, dass Licht tatsächlich Elektronen aus Metallen herauslösen kann. Und das ist ja tatsächlich sehr erstaunlich: Man beleuchtet ein Stück Metall und aus dem Metall kommen Elektronen raus. Es entsteht ein elektrischer Strom, denn Strom ist ja nichts anderes als Elektronen, die sich bewegen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Elektronen aus dem Metall kommen; diese Elementarteilchen bilden ja die Hülle eines jeden Atoms. Da sind also genug vorhanden. Aber warum werden sie aus dem Metall gelöst, wenn Licht darauf fällt? Eine erste Idee liegt nahe: Im Licht steckt ja Energie und wenn sich diese Energie vom Licht auf die Elektronen überträgt, dann können die sich mit Hilfe dieser Energie von der Bindung an den Atomkern lösen und sich frei bewegen. Das klingt logisch, aber die Experimente von Lenard haben noch mehr gezeigt. Nämlich dass die kinetische Energie der Elektronen unabhängig von der Intensität des Lichts ist. Was heißt das? Die kinetische Energie ist die Energie, die in der Bewegung des Elektrons steckt. Und eigentlich sollte man ja erwarten, dass die umso größer ist, je mehr Licht auf das Metall fällt. Mehr Licht überträgt mehr Energie auf die Elektronen und dann sollte auch mehr Energie in ihrer Bewegung stecken. Tut es aber nicht. Mehr Licht sorgt nur für mehr Elektronen, aber ihre Bewegungsenergie ändert sich nicht. Die hängt stattdessen von der Frequenz des Lichts ab, also von seiner Farbe. Dieses Verhalten war damals ein großes Rätsel. Denn damals ging man davon aus, dass Licht eine elektromagnetische Welle ist. Und die Energie einer Welle hängt von ihrer Amplitude ab, also wie weit sie - vereinfacht gesagt - nach oben und nach unten schwingt. Und die Energie einer Welle hängt ganz explizit nicht von ihrer Frequenz ab, die ja angibt, wie oft die Welle in einem bestimmten Zeitraum auf und ab schwingt. Die Amplitude ist ein Maß für die Intensität des Lichts, die Frequenz für die Farbe. Eigentlich sollte man also erwarten, dass eine Lichtwelle mit hoher Intensität, also einer großen Amplitude und mehr Energie auch mehr Energie auf die Elektronen überträgt und es egal ist, welche Frequenz beziehungsweise Farbe sie hat. Die Experimente von Philipp Lenard haben aber genau das Gegenteil gezeigt. Gelöst hat dieses Rätsel dann Albert Einstein. Er hat im Jahr 1905 einen Artikel veröffentlicht, mit dem Titel "Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt". Klingt etwas nichtssagend, aber dort schreibt Einstein folgenden revolutionären Satz: "Es scheint mir nun in der Tat, daß die Beobachtung über die […] Photolumineszenz, die Erzeugung von Kathodenstrahlen durch ultraviolettes Licht und andere die Erzeugung beziehungsweise Verwandlung des Lichtes betreffende Erscheinungsgruppen besser verständlich scheinen unter der Annahme, daß die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt sei. Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahls die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können." Einstein sagt also, dass die Energie im Licht in kleinen Paketen steckt, die nicht weiter geteilt werden können. Er sagt im Wesentlichen: Licht besteht aus einzelnen Lichtquanten, also aus "Stücken" von Energie, die selbst nicht mehr kleiner werden können. Ok, wer sich in Wissenschaftsgeschichte auskennt, wird wissen, dass ein paar Jahre vorher, nämlich im Jahr 1900, der deutsche Physiker Max Planck die "Quantenhypothese" aufgestellt hat. Planck hatte festgestellt, dass man ein bestimmtes Verhalten von Licht nur dann korrekt beschreiben kann, wenn man davon ausgeht, dass die Energie im Licht nur in bestimmten, kleinstmöglichen Energiepaketen vorliegen kann, die er Quanten genannt hat. Planck hat das aber im Wesentlichen für einen Rechentrick gehalten und ist lange Zeit nicht davon ausgegangen, dass sich Licht wirklich so verhält. Albert Einstein aber, und genau deswegen ist seine Arbeit so revolutionär, hat genau das behauptet. Er hat gesagt, dass Licht tatsächlich aus diesen Quanten besteht. Oder anders gesagt: Einstein hat die jahrhundertelang vorherrschende Meinung in Frage gestellt, dass Licht eine kontinuierliche Welle ist. Laut Einstein besteht Licht aus Lichtquanten, die wir heute Photonen nennen. Und die Energie eines Photons hängt von der Frequenz des Lichts ab, beziehungsweise der Farbe. Damit wird auch verständlich, was Lenard in seinen Experimenten gemessen hat. Damit man ein Elektron aus dem Metall herauslösen kann, braucht es eine gewisse Mindestenergie. Man muss also Licht mit der richtigen Frequenz nutzen, damit das geht, denn nur dann haben die Quanten auch die korrekte Energie. Denn das Elektron kann nicht beliebig viel Energie mit dem Licht austauschen. Entweder die Energie im Lichtquant ist groß genug - dann wird das Elektron frei. Oder sie ist nicht groß genug und dann passiert gar nichts. Und dann hilft es auch nichts, wenn man die Lichtintensität erhöht und immer mehr und mehr Quanten auf das Elektron einprasseln. Es kann die Quanten nicht "sammeln" bis es genug davon hat. Einsteins theoretische Erklärung des Phänomens, das wir heute den "photoelektrischen Effekt" nennen, hat sehr gut funktioniert. Trotzdem haben viele gezögert, sie anzuerkennen. Denn man wollte sich nicht von der Vorstellung von Licht als Welle lösen; Licht, das aus "Teilchen" besteht, war den meisten zu revolutionär. Heute wissen wir, dass Licht weder eine Welle, noch ein Teilchen ist sondern eine Auswirkung von Quantenfeldern, wie ich in Folge 247 ausführlich erklärt habe. Aber damals gab es ja quasi noch keine Quantentheorie im modernen Sinn. Die hat erst mit der Arbeit von Max Planck und so richtig erst mit dieser Arbeit von Albert Einstein begonnen. Und deswegen haben die beiden auch zu Recht den Physik-Nobelpreis dafür bekommen. Sie mussten zwar ein bisschen warten, bis sich die Quantenmechanik in der Wissenschaft durchgesetzt hat. Planck hat ihn 1918 bekommen und Albert Einstein erst im Jahr 1921. Aber besser spät, als gar nicht (und es lohnt sich vielleicht auch noch mal extra darauf hinzuweisen, das Einstein seinen Nobelpreis eben tatsächlich für seine Arbeit zur Quantenmechanik bekommen hat, nicht für die Entwicklung der Relativitätstheorie, für die er in der Öffentlichkeit viel bekannter ist). Albert Einstein war ein theoretischer Physiker der die Natur verstehen wollte. Willard Boyle und George Smith waren ebenfalls Physiker, aber eher an Anwendungen orientiert. Im Jahr 1969 haben beide in den Bell Labs gearbeitet, der Forschungsabteilung der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T. Willard Boyle war damals Chef der Abteilung für Halbleiterforschung und Smith sein Mitarbeiter. Damals hat man sich intensiv mit Magnetblasenspeicher beschäftigt, einer frühen Form um auf Computern Daten zu speichern. Die Bell Labs wollten Forschungsgelder von der Abteilung für Halbleiter abziehen, es sei denn, sie wären in der Lage, selbst eine ausreichend gute Speichertechnologie auf anderer Basis zu entwickeln. Also setzten sich Boyle und Smith hin und erfanden, im Wesentlichen im Laufe eines Nachmittags, das, was wir heute CCD nennen. Die Details so eines charge-coupled device sind dennoch komplex. Aber im Prinzip funktioniert dieses Ding ganz einfach. Man kann es sich als zweidimensionales Gitter vorstellen. An jedem Gitterpunkt sitzt ein elektronisches Bauteil, das Elektronen speichern kann. Je nachdem, wie viele es sind, sitzt also in jedem Gitterpunkt eine unterschiedlich große elektrische Ladung. Mit diesen Ladungen kann man Informationen speichern und genau das wollten Boyle und Smith ja haben. Man könnte jetzt mit irgendeinem passenden Messinstrument Gitterpunkt für Gitterpunkt durchgehen und so Stück für Stück die Ladung und damit den Speicher auslesen. Aber das wäre mühsam, und es geht auch einfacher. Man kann - und ich gehe auch hier jetzt nicht auf die technischen Details ein - die Ladungen einfach von Gitterpunkt zu Gitterpunkt verschieben. Dann fällt - sehr vereinfacht gesagt - am Ende des Gitters zuerst die Ladung aus dem ersten Gitterpunkt der entsprechenden Reihe raus und kann gemessen werden. Dann schiebt man weiter und es kommt die Ladung aus dem nächsten Gitterpunkt, und so weiter. Das geht viel schneller und am Ende kann man aus so einem Ding eine elektrische Spannung auslesen, die sich verändert, je nachdem wie viele Elektronen in den Gitterpunkten waren. Boyle und Smith ist aber sehr schnell klar geworden, dass man so ein Konzept nicht nur als simplen Speicher verwenden kann. Man kann an jeden Gitterpunkt auch ein Bauteil setzen, das Licht in elektrischen Strom umwandeln kann. Und wie macht dieses Bauteil das? Durch den photoelektrischen Effekt, den Albert Einstein mehr als 60 Jahre vorher als erster erklären konnte. Diese Bauteile nennt man Fotodioden und die waren damals schon erfunden. Aber man konnte sie eben nur erfinden, weil Jahrzehnte vorher Albert Einstein den photoelektrischen Effekt erklärt hat! Zusammengefasst hatten Boyle und Smith nun also ein Gerät, bei dem Licht auf einen zweidimensionalen Sensor fällt. Je nach Intensität des Lichts sammeln sich in den Gitterpunkten unterschiedlich starke Ladungen an und die können elektronisch so ausgelesen werden, um das danach entsprechend rekonstruieren zu können. Das, was vorher analog war - also die Information darüber, wie viel Licht an bestimmten Stellen des Sensors auftritt, war jetzt digital verfügbar. Und das war auf eine andere Art wie bei Einstein aber ebenso eine Revolution! Bis dahin hat man Bilder chemisch gespeichert. Man hat Platten oder Filmstreifen mit passenden Chemikalien bestrichen, die unterschiedlich stark auf Licht reagieren, je nach der Intensität des Lichts. Diese Fotografie ist natürlich selbst eine revolutionäre Erfindung, aber mit dem charge-coupled-device ist die Fotografie digital geworden. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Technik so weit ausgereift war, um der klassischen analogen Fotografie ernsthaft Konkurrenz zu machen. Man braucht dafür ja zum Beispiel entsprechend große Sensoren um ein ausreichend großes Bildfeld zu haben. Und dann sind da noch jede Menge andere kleinere und größere praktische Probleme. Aber das Militär war zum Beispiel sehr schnell begeistert davon. Mit CCD-Technik kann man wunderbar Satelliten bestücken und digitale Bilder der Erde aus dem All machen. Bilder, die nicht erst entwickelt werden müssen sondern direkt elektronisch zur Erde übertragen werden können. Das ist ideal für Spionagesatelliten und deswegen hat das Militär die Entwicklung der CCDs auch massiv gefördert. Ab den 1980er Jahren ist die Technik aber auch langsam in die zivilen Bereiche gekommen. In der Astronomie hat man immer öfter mit CCD-Kameras gearbeitet und auch die Digitalkameras für den privaten Gebrauch habe sich entwickelt. Heute ist die CCD-Kamera aus der Astronomie nicht mehr wegzudenken. Es gibt, außer im Hobby-Bereich, keine analoge Astrofotografie mehr. Alles funktioniert digital. Bei den Digitalkameras haben sich mittlerweile Techniken entwickelt, die ein bisschen anders funktionieren als die klassischen CCDs, aber die Arbeit von Boyle und Smith hat die Welt und die Wissenschaft dennoch bis heute maßgeblich beeinflusst und die beiden sind dafür zu Recht im Jahr 2009 mit den Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Was mit Albert Einstein angefangen hat, ist heute aber längst noch nicht zu Ende. Es gibt noch jede Menge die wir nicht verstehen, wenn es um die Lichtquanten geht. Es lohnt sich, auch heute noch über das Licht nachzudenken. Was dabei herauskommt, lässt sich schwer vorhersagen. Aber sicher ist: Am Ende wird es uns alle beeinflussen.…
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Sternengeschichten

1 Sternengeschichten Folge 649: Der Finsternisflug der Concorde 10:43
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Mit Überschall in die Dunkelheit Sternengeschichten Folge 649: Der Finsternisflug der Concorde Am 30. Juni 1973 ist das Überschallflugzeug Concorde zu einem ganz besonderen Flug aufgebrochen. Das Ziel war die Beobachtung eines astronomischen Phänomens und man wollte es auf eine Weise beobachten, wie es noch nie zuvor beobachtet worden war. An diesem Tag hat es einen totale Sonnenfinsternis gegeben. Der Schatten des Mondes, der sich am Vormittag vor die Sonne geschoben hat, ist zuerst im südamerikanischen Guyana auf die Erde getroffen und dann über den Atlantik gewandert bevor er über Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Sudan, Uganda und Kenia gezogen und schließlich über dem indischen Ozean wieder verschwunden ist. Am längsten hat man die Verfinsterung der Sonne in Niger beobachten können, dort hat die sogenannte Totalität mehr als sieben Minuten gedauert, was außerordentlich lange für eine totale Sonnenfinsternis ist. Die nächste Totalität, die länger als sieben Minuten dauern wird, werden wir erst wieder im Jahr 2150 beobachten können. Aber trotzdem waren diese sieben Minuten ein paar Leuten nicht lange genug. Im Mai 1972 hat der französische Astronom Pierre Léna Kontakt mit André Turcat aufgenommen. Denn Turcat war der Pilot, der am 2. März 1969 das erste Mal die Concorde geflogen hat. Und die Concorde war ein britisch-französisches Projekt zur Entwicklung eines Überschallflugzeugs für den Linienverkehr. Damals war dieser Linienverkehr zwar noch nicht aufgenommen worden, aber man hatte schon diverse Testflüge absolviert. Die Idee von Léna war eigentlich recht simpel: Wir können eine Sonnenfinsternis vom Erdboden aus ja nur deswegen so vergleichsweise kurz beobachten, weil sich der Schatten des Mondes so enorm schnell bewegt. Und er bewegt sich deswegen so enorm schnell, weil der Schatten natürlich genau so schnell ist, wie der Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde. Der Mond bewegt sich mit über 3500 Kilometer pro Stunde, aber die Erde dreht sich ja auch um ihre Achse und auch das tut sie nicht langsam. Wie schnell sich der Mondschatten jetzt genau bewegt hängt davon, auf welcher geografischen Breite man sich befindet, wie der Pfad des Schattens genau verläuft, und so weiter - aber er ist auf jeden Fall immer sehr schnell; es sind auf jeden Fall immer mehr als 1500 Kilometer pro Stunde. Die Höchstgeschwindigkeit einer Concorde liegt aber bei etwas mehr als Mach 2. Also zweifache Schallgeschwindigkeit, was ungefähr 2200 Kilometer pro Stunde sind. Oder anders gesagt: Wenn man eine Concorde in den Pfad der Totalität steuert, kann man quasi mit dem Schatten des Mondes mitfliegen. Vom Flugzeug aus kann man die verdunkelte Sonne sehr viel länger sehen als vom Erdboden aus und hat dann natürlich auch sehr viel mehr Zeit, um wissenschaftliche Messungen anzustellen. Die Idee war einfach, die Umsetzung aber deutlich schwieriger. Nur weil man eine gute Idee hat, kriegt man nicht einfach so ein Überschallflugzeug für die Forschung zur Verfügung gestellt. Turcat war auf jeden Fall gleich begeistert und hat diese Begeisterung zu seinen Vorgesetzen bei Aérospatiale getragen, der Fluggesellschaft, die die französischen Concorde betrieben hat. Dort hat man mal provisorisch zugesagt und sogar noch zugesagt, die Kosten zu übernehmen. Immerhin wäre so ein spezieller Flug ja auch eine gute Werbung für die Concorde… Aber eine definitive Zusage wollte man erst später geben. Pierre Léna hat trotzdem schon angefangen, die Sache vorzubereiten. Denn wenn man echte Wissenschaft betreiben will, kann man sich nicht einfach ins Flugzeug setzen und aus dem Fenster schauen. Man braucht Messinstrumente und die müssen erstens ins Flugzeug passen, sie müssen zweitens die Erschütterungen beim Start aushalten und dann müssen sie drittens auch noch in der Lage sein, das zu beobachten, was man beobachten will. Und da hat es ein kleines Problem gegeben. Aus Sicht des Flugzeugs auf seinem Weg über Afrika hat sich die verfinsterte Sonne im Zenit befunden, also genau darüber. Aber ein Flugzeug hat normalerweise keine Fenster in der Decke. Die Fenster sind seitlich, aber von dort aus hätte man die Sonnenfinsternis nicht sehen können. Also mussten neue Fenster in der Decke installiert werden… Pierre Léna hat auch angefangen, andere Forscher zu diesem speziellen Flug einzuladen. Eine Concorde kann zwar nicht so viele Menschen transportieren wie ein normales Flugzeug, aber wenn nur André Turcat und Pierre Léna mitgeflogen wären, wäre das schon eine ziemliche Platzverschwendung gewesen. Am Ende wurden Teams vom französischen Institut für Astrophysik, den amerikanischen Kitt Peak National Observatory und dem Los Alamos National Observatory, der englischen Queen Mary Universität London und der Uni Aberdeen in Schottland eingeladen. Es sollten fünf unterschiedliche Experimente durchgeführt werden. Pierre Léna selbst war vor allem an der sogenannten "F-Korona" interessiert. Die Korona ist die äußerste Atmosphärenschicht der Sonne, die wir von der Erde aus nur während einer Sonnenfinsternis beobachten können. Sie ist zwar sehr ausgedehnt, ihre Helligkeit ist aber nicht sehr groß. Das heißt, normalerweise wird sie vom Rest des Sonnenlichts überstrahlt, nur wenn der Mond den Großteil dieses Lichts abschirmt, können wir das Leuchten der Korona sehen. Und die "F-Korona" ist der Teil der Korona, der von Staub erzeugt wird, der die Sonne umgibt. Das Sonnenlicht wird am Staub gestreut und aus seiner Analyse kann man dann zum Beispiel Rückschlüsse auf die Herkunft des Staubes ziehen. Der wird unter anderem von Kometen verursacht, die in Sonnennähe zerbrechen und je genauer man die Strukturen im Licht der F-Korona versteht, desto mehr können wir auch die entsprechenden Prozesse verstehen. An der Queen Mary Universität war man mehr an den innersten Bereichen der Korona interessiert, das Los Alamos National Observatory wollte das Infrarotlicht der Sonnenkorona beobachten, was vom Erdboden aus gar nicht geht, egal wie lange eine Sonnenfinsternis dauert, denn die Infrarotstrahlung aus dem All wird von der Atmosphäre blockiert und man muss ins All oder zumindest so weit nach oben, wie man mit einem Flugzeug kommt, wenn man sie beobachten will. Das Kitt Peak National Observatory wollte sich die Chromosphäre der Sonne anschauen, eine weitere der äußeren Atmosphärenschichten, und herausfinden, wie sich die verschiedenen Bereiche dieser Schicht unterscheiden. Und die Uni Aberdeen hat sich das diffuse Leuchten des Himmels angesehen, das entsteht, wenn die Atome der Luft durch die Energie der Sonne angeregt werden und dann Strahlung abgeben. Was sie dann natürlich auf eine andere Art tun als vorher, wenn eine Sonnenfinsternis stattfindet. Jede Menge Arbeit also und keine Zeit, um den Flug zu genießen. Aber würde der überhaupt stattfinden! Ja, würde er! Die Zusage der Fluggesellschaft kam zwar erst im Februar 1973, aber zum Glück war alles gut vorbereitet. Die umgebaute Concorde 001, also genau der Prototyp mit dem Turcat den ersten Flug einer Concorce überhaupt absolviert hat, stand bereit und um exakt 10:08 Ortszeit ging der Flug los, von Las Palmas auf Gran Canaria. Am Steuer saßen André Turcat und sein Kopilot Jean Dabo und über Mauretanien, bei einer Flughöhe von über 17 Kilometern und mit einer Geschwindigkeit von knapp über Mach 2 traf man auf den Schatten des Mondes. Die Experimente starteten und alle waren beschäftigt bis die Concorde im Tschad landete. Dazwischen hat sich das Flugzeug 74 Minuten lang im Schatten des Mondes befunden, es war die längste Sonnenfinsternis die irgendjemand bis dahin beobachten konnte. Und hat sich das alles gelohnt. Na ja. Die Ergebnisse der Experimente sind in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht worden. Aber sie haben keinen sonderlich großen Einfluss auf die astronomische Forschung gehabt. Es ist nichts revolutionäres entdeckt worden, nichts, was die Wissenschaft in eine dramatisch neue oder überraschende Richtung gebracht hat. Pierre Léna hat das später so zusammengefasst: "[Die Experimente] spielten ihre Rolle im normalen Fortschreiten des wissenschaftlichen Wissens, aber es muss gesagt werden, dass es keine außergewöhnlichen Ergebnisse gab. Alle fünf Experimente waren erfolgreich, aber keines von ihnen revolutionierte unser Verständnis der Korona". Tja. Aber Wissenschaft kann halt nicht immer alles über den Haufen werfen. Es war eine spektakuläre Expedition und die Menschen an Bord haben die Sonne länger verfinstert gesehen als alle anderen zuvor. Aber wenn es diesen Finsternisflug der Concorde nicht gegegen hätte, hätte die Wissenschaft vermutlich genau so weiterfunktioniert wie sie es mit den Experimenten getan hat. Aber wie gesagt: So ist Wissenschaft; man weiß vorher nicht was rauskommt und deswegen muss man es probieren. Die Verfolgung der Sonnenfinsternis im Juni 1973 mit einer Concorde war einzigartig. Und sie wird einzigartig bleiben. Abgesehen davon, dass die Concorde seit dem Jahr 2003 nicht mehr fliegt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch kein anderes Überschallflugzeug mehr zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis eingesetzt werden. Zumindest nicht aus wissenschaftlichen Gründen. Von der Erde aus haben wir mehr oder weniger alles erforscht, was sich während einer Sonnenfinsternis sinnvollerweise erforschen lässt. Um Informationen über die Korona und der anderen äußeren Schichten der Sonnenatmosphäre zu gewinnen haben wir mittlerweile andere Möglichkeiten. 1995 flog zum Beispiel das Weltraumteleskop SOHO ins All. Diese Mission der Europäischen Weltraumagentur ist explizit dafür gemacht, die Sonne und vor allem ihre Korona zu messen und das jederzeit, nicht nur wenn eine Finsternis stattfindet. Wir haben jede Menge andere Teleskope im All, die die Sonne im Blick haben. Und wenn es hier auf der Erde wieder eine Sonnenfinsternis zu sehen gibt, müssen wir uns nicht um Wissenschaft kümmern, sondern können dieses Naturschauspiel einfach nur genießen.…
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Sternengeschichten

1 Sternengeschichten Folge 648: Das Oh-My-God-Teilchen 17:02
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Zu viel unbekannte Energie Sternengeschichten Folge 648: Das Oh-My-God-Teilchen Das "Oh-My-God-Teilchen" war wahrscheinlich ein Proton, das am 15. Oktober 1991 über der Wüste im amerikanischen Bundesstaat Utah beobachtet worden ist. Und es mag seltsam erscheinen, dass man einem subatomaren Teilchen einen eigenen Namen gibt. Immerhin gibt es ja mehr als genug von den Dingern; mehr als man zählen kann und mehr als man sich vorstellen kann. Und noch seltsamer mag es erscheinen, eine ganze Podcastfolge über ein einzelnes Proton zu machen. Aber so ist die Astronomie eben: Sie ist die Wissenschaft des ganzen Universums. Sie erforscht den Kosmos in seiner Gesamtheit und alles, was sich darin befindet. Wir nutzen jede Informationsquelle, die sich uns bietet und manchmal kann man auch von einem einzelnen Proton jede Menge lernen. Fangen wir mal mit den Grundlagen an. Die bestehen in diesem Fall aus der kosmischen Strahlung, über die ich in den Folgen 317 und 318 der Sternengeschichten ausführlich gesprochen habe. Die kurze Zusammenfassung lautet so: Überall im Weltall passieren Dinge, bei denen diverse Teilchen durch die Gegend geschleudert werden. In den meisten Fällen sind es Sterne, die ja nicht nur leuchten, sondern auch ständig Teilchen aus den äußersten Schichten ihrer Atmosphären verlieren. Die elektromagnetischen Vorgänge im heißen Gas der Sterne sorgen dafür, dass immer wieder Teilchen aus ihnen davon geschleudert werden. Aber auch wenn ein Stern bei einer Supernova explodiert, schleudert er jede Menge Teilchen durch die Gegend. Das selbe passiert, wenn Materie mit hoher Geschwindigkeit um ein schwarzes Loch wirbelt, und so weiter. Kurz gesagt: Das All ist voll mit Teilchen, die durch die Gegend sausen und das nennen wir die "kosmische Strahlung". Der überwiegende Teil dieser Strahlung - fast 90 Prozent - besteht aus den Kernen von Wasserstoffatomen, was nicht überraschend ist, denn Wasserstoff ist ja das häufigste Element im Kosmos. Das zweithäufigste Element ist Helium und deswegen besteht der Rest der kosmischen Strahlung aus den Kernen von Heliumatomen und ein paar Kerne schwerere Elemente sind auch ab und zu zu finden. Und es sind übrigens deswegen die Kerne der Atome, weil die Elektronen, die ja die Hülle der Atome bilden, bei den Vorgängen die die kosmische Strahlung produzieren, quasi vom Atomkern abgerissen werden (oder sowieso schon vorher vom Atomkern abgerissen worden sind). Ein Atomkern besteht - je nach chemischen Element - aus unterschiedlich vielen Protonen und Neutronen. Beim Wasserstoff wird der Kern nur von einem einzigen Proton gebildet und deswegen besteht auch die kosmische Strahlung vorrangig aus Protonen. Das ist soweit alles noch normal. Beziehungsweise eigentlich nicht. Eigentlich ist es höchst erstaunlich, wenn man sich klar macht, dass ständig Protonen überall durchs Weltall sausen. Und der österreichische Physiker Victor Franz Hess hat 1936 zu Recht den Physik-Nobelpreis für den Nachweis der kosmischen Strahlung bekommen. Die Strahlung ist auch definitiv wichtig. Sie liefert uns jede Menge Informationen über das, was da draußen im All vorgeht. Denn die Teilchen schlendern da ja nicht gemählich durchs All, sie sind mit enormen Geschwindigkeiten unterwegs. Und können deswegen auch durchaus relevante Mengen an Energie haben. Und wenn sie mit etwas zusammenstoßen, dann passiert das, für das wir hier auf der Erde enorm komplexe Maschinen bauen. Wir bauen riesige Teilchenbeschleuniger, um Teilchen auf hohe Geschwindigkeit und miteinander zur Kollision bringen zu können. Wir wollen wissen, was mit der Energie passiert, die bei den Zusammenstößen frei wird; aus ihr können dann zum Beispiel neue Teilchen entstehen und wenn wir Glück haben auch welche, die wir noch nicht kennen. So ein Zusammenstoß kann aber auch eine Kernspaltung auslösen. Oder anders gesagt: Wenn man ein Proton nur fest genug auf einen Atomkern schießt, kann das Atom auseinanderbrechen und es entstehen neue chemische Elemente. Am oberen Ende der Atmosphäre passiert das dauernd: Kosmische Strahlung trifft auf die Atome der Luft. Die brechen auseinander und dabei werden Neutronen freigesetzt. Die können dann zum Beispiel auf Stickstoffatome treffen und dann wird aus dem Stickstoffatom das radioaktive Kohlenstoffatom mit der Bezeichnung C-14. Dieser radioaktiven Kohlenstoff ist - in sehr geringen Mengen - überall. In jeder Pflanze, jedem Tier, jedem Mensch - alles was Kohlenstoff enthält, enthält auch eine geringe Menge an C-14. Da er radioaktiv ist, zerfällt er im Laufe der Zeit, aber die kosmische Strahlung liefert ja immer neues C-14 nach. Erst wenn ein Lebewesen stirbt, wird kein neues C-14 mehr eingebaut und das kann man nutzen, um zum Beispiel das Alter eines archäologischen Fundstücks zu bestimmen, in dem man einfach misst, wie viel C-14 noch da ist. Diese Radiokarbonmethode ist aber nur eines von sehr viel mehr Beispielen, wie die kosmische Strahlung uns wichtige Daten liefert. Wenn wir Meteoriten untersuchen, können wir bestimmen, wie lange sie durchs All geflogen sind, weil die während der ganzen Zeit von kosmische Strahlung bombardiert worden sind. Die kosmische Strahlung der Sonne hilft uns dabei zu verstehen, was in ihrem Inneren passiert, und so weiter. Die kosmische Strahlung ist natürlich auch eine Gefahr für uns. Nicht so sehr am Erdboden, da schützt uns unser Atmosphäre ziemlich gut. Aber auf jeden Fall, wenn wir uns längere Zeit im Weltall aufhalten - oder auch nur zu oft und zu lange hoch in der Luft mit einem Flugzeug fliegen. Es ist also, kurz gesagt, absolut verständlich, wenn die Wissenschaft sich sehr viel Mühe gibt, die kosmische Strahlung zu erforschen. Das kann man entweder direkt im All mit entsprechenden Detektoren machen. Oder aber auch vom Erdboden aus. Bis dahin gelangt, wie ich gerade erklärt habe, die kosmische Strahlung zwar meistens nicht, weil sie zuvor mit irgendwelchen Teilchen der Atmosphäre kollidiert. Aber wenn das passiert, dann gibt es sogenannte "Teilchenschauer". Stickstoff- und Sauerstoffatome zerbrechen - oder, um das auch mal gesagt zu haben: Es findet "Spallation" statt, wie der Prozess in der Wissenschaft offiziell heißt. Es werden Neutronen frei, Protonen; es bilden sich Pionen - das sind Teilchen, die nur ein paar Sekundenbruchteile stabil sind, bis sie wieder zerfallen und wenn sie das tun, wird Energie in Form von Licht frei und es entstehen andere Teilchen, zum Beispiel Elektronen und Myonen, die - vereinfacht gesagt - wie Elektronen sind, nur mehr Masse haben und ebenfalls nur ein paar Sekundenbruchteile stabil sind, bevor auch sie wieder in weitere Teilchen zerfallen. Ein einziges Teilchen der kosmischen Strahlung das am oberen Ende der Erdatmosphäre auf ein Atom der Luft trifft, kann so einen ganzen Schauer aus anderen Teilchen auslösen, die wieder andere Teilchen erzeugen, und so weiter. Das Teilchen der kosmischen Strahlung selbst können wir vom Erdboden aus dann nicht mehr registrieren. Aber die ganzen anderen Teilchen, die im Schauer produziert worden sind und wir können auch die kurzen Lichtblitze sehen, die entstehen, wenn bei den Zerfällen Energie frei wird. Natürlich nur mit entsprechenden Messinstrumenten, aber es geht. Und wenn wir es richtig anstellen, dann können wir aus der Energie des Lichts und der Zusammensetzung des Schauers bestimmen, wie viel Energie das ursprüngliche Teilchen der kosmischen Strahlung gehabt hat. Je mehr Energie es hat, desto schneller ist es unterwegs. Und desto mehr Wumms hat es auch bei einer Kollision. Hier spielt die berühmteste Erkenntnis von Albert Einstein eine Rolle: E=mc². Energie ist Masse mal Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Ein einzelnes Proton hat nicht viel Masse. Aber ein Proton mit sehr viel Energie kann genau so viel Wumms haben wie ein Objekt mit sehr viel mehr Masse. Und damit auch einen anderen Teilchenschauer auslösen als eines mit weniger Energie. Und genau da wird es interessant. Denn die Energie hat das Proton ja nicht von irgendwoher. Die Energie stammt von dem Prozess, der es überhaupt erst zur kosmischen Strahlung gemacht hat, es also ins All geschleudert hat. Die Teilchen die von unserer Sonne kommen haben vergleichsweise wenig Energie. Stammt ein Proton von einer Supernova-Explosion, dann hat es schon mehr Energie und wird es vielleicht sogar vom gigantischen supermassereichen schwarzen Loch im Zentrum einer fernen Galaxie auf den Weg gebracht, dann kann es sehr viel mehr Energie haben. Wenn wir wissen, wie viel Energie so ein Teilchen hat, dann haben wir auch eine gute Idee, wo es her kommt und wie es produziert worden ist. Hier auf der Erde kommt natürlich der überwiegende Teil der kosmischen Strahlung von der Sonne. Aber ein - sehr kleiner, aber vorhandener - Teil der kosmischen Strahlung kommt von außerhalb des Sonnensystems, sogar von außerhalb der Milchstraße. Das sind die Teilchen die die höchste Energie haben. Aber die Energie eines Teilchens kann nicht beliebig hoch sein. Viel Energie heißt ja, eine hohe Geschwindigkeit. Oder andersrum: Wird ein Proton enorm stark beschleunigt, dann hat es zwangsläufig auch eine hohe Energie. Das ist an sich noch kein Problem. Aber stellen wir uns mal so ein Teilchen vor, dass da irgendwo fern im All enorm stark beschleunigt wird und beginnt, durch den leeren Raum zu sausen. Der aber natürlich nicht leer ist, denn da sind ja überall Lichtteilchen der kosmischen Hintergrundstrahlung. Das ist etwas anderes als die kosmische Strahlung, und die Details könnt ihr in Folge 316 nachhören. Aber die Hintergrundstrahlung ist das, was - sehr vereinfacht gesagt - an Energie vom Urknall übrig geblieben ist. Diese Energie, in Form von Lichtteilchen, ist überall im Universum zu finden und normalerweise wäre es kein Problem für die Protonen der kosmischen Strahlung, wenn da ein paar Lichtteilchen in der Gegend rumschwirren. Es kann aber zum Problem werden, wenn das Proton zu schnell unterwegs ist. Um das im Detail zu erklären, bräuchte man sehr viel Zeit, das hat nämlich einerseits mit der Quantenmechanik zu tun, andererseits auch mit der Relativitätstheorie. Es kommt ja immer darauf an, aus welcher Sicht man die Sache betrachtet. Aus Sicht des Protons sind es die Teilchen der Hintergrundstrahlung, die sich auf es zubewegen. Und was passiert mit Licht, das sich schnell von einem Beobachter weg oder in dem Fall auf den Beobachter, also das Proton, zubewegt? Seine Frequenz verschiebt sich, das ist das, was wir als Dopplereffekt kennen. Das Proton sieht also Lichtteilchen mit enorm viel Energie, und das hat Konsequenzen. Wie gesagt, in Wahrheit ist das alles sehr viel komplexer, aber belassen wir es mal dabei: Wenn sich ein Teilchen der kosmischen Strahlung enorm schnell bewegt, dann kann es auf eine Art mit den Lichtteilchen zusammenstoßen, die sonst nicht passieren kann. Bei diesen hochenergetischen Kollisionen verliert das Proton dann relevante Mengen an Energie (und ändert auch die Richtung). Oder anders gesagt: Teilchen mit geringer Energie kommen relativ unbeschadet durch die kosmische Hintergrundstrahlung. Teilchen mit hoher Energie kollidieren mit ihr und verlieren Energie, so dass sie dann auch eine geringe Energie haben. Und nochmal anders gesagt: Das bedeutet, dass es eine gewisse theoretische Obergrenze gibt, für die Energie eines Teilchens der kosmischen Strahlung, die wir beobachten können. Das nennt man den GZK-Cutoff, nach den Physikern Kenneth Greisen, Georgi Sazepin und Wadim Kusmin, die das in den 1960er Jahren ausgerechnet haben. Es ist keine harte physikalische Grenze, das ganze hängt ja davon ab, wie lange die Teilchen unterwegs sind. Sollte zum Beispiel die Sonne ein Proton mit enorm hoher Energie raushauen, dann hat das auf dem kurzen Weg zur Erde kaum Möglichkeit mit der Hintergrundstrahlung zu kollidieren. Aber die Sonne kann halt auch nicht beliebig hochenergetische Protonen produzieren; dazu braucht es andere Prozesse, die aber eben wieder nur weit entfernt, bei großen schwarzen Löchern und so weiter passieren. Und von dort aus ist der Weg länger bis zu uns. Ab circa einer Distanz von 100 Millionen Lichtjahren ist es quasi ausgeschlossen, dass die kosmische Strahlung kollisionsfrei zu uns kommt. So, uns jetzt sind wir endlich wieder beim 15. Oktober 1991 in der Wüste von Utah. Da hat die "Fly's Eye Camera", einen Teilchenschauer detektiert, der auf ein Teilchen der kosmischen Strahlung mit wirklich viel Energie hindeutet. Also WIRKLICH viel Energie. Wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein Proton gehandelt hat, was ja extrem wahrscheinlich ist, dann muss es eine Energie von 320 Exa-Elektronenvolt gehabt haben. Da kann man sich nicht viel vorstellen, aber das bedeutet zum Beispiel, dass es mit 99, 999 999 999 999 999 999 999 51 Prozent der Lichtgeschwindigkeit unterwegs war. Die Masse, die so einer Energie entspricht ist die eines Bakteriums. Nur dass ein Bakterium absurd viel größer als ein einzelnes Proton ist! Rechnet man die Exa-Elektronenvolt in Joule um, dann hat das Proton eine Energie von 51 Joule, was nicht viel klingt, aber der Bewegungsenergie entspricht, die ein Golfball bei einer Geschwindigkeit von 170 km/h hat. Nur das eben kein Golfball war, sondern ein einzelnes Proton! Die normale kosmische Strahlung hat Energien, die zehn Milliarden Mal geringer ist. Vor allem aber liegt die Energie dieses Teilchens vom 15. Oktober 1991 über dem GZK-Cutoff, sowas sollte es also eigentlich nicht geben. Es ist also verständlich, dass dieses spezielle Teilchen nicht mehr einfach nur "Teilchen" genannt wird, sondern einen Namen bekommen hat. Und zwar "Oh My God Particle", weil ein Mitglied des Forschungsteams spontan "Oh my God", also quasi "Ach du meine Güte" gerufen hat, als man die Energie berechnet hat. So oder so: Dieser Name hat sich durchgesetzt und wird mittlerweile auch in der Wissenschaft verwendet. Aber noch viel spannender als der Name ist ja die Frage: Wo kommt das Ding her und warum hat es so viel Energie? Und die Antwort darauf lautet leider: Das wissen wir nicht. In der Richtung des Himmels, aus der es gekommen ist, gibt es nicht wirklich etwas, was so was produzieren könnte. Das müsste dann schon das aktive Zentrum einer fernen Galaxie sein, also ein richtig gewaltiges schwarzes Loch im Zentrum so einer Galaxie, das jede Menge Material aus seiner Umgebung durch die Gegend schleudert. Und es müsste gleichzeitig eine aktive Galaxie sein, die wir bisher noch nicht beobachtet haben. Es könnte aber auch ein Hinweis auf einen neuen Aspekt der Physik sein, den wir noch nicht kennen. Vielleicht verstehen wir das erst, wenn wir eine Theorie der Quantengravitation haben, also auch die Gravitation nicht nur durch die Relativitätstheorie erklären können, sondern auch durch die Quantenmechanik. Vielleicht gibt es da draußen auch astrophysikalische Prozesse, die wir noch nicht kennen und ab und zu schleudert da etwas enorm schnelle Protonen durch die Gegend. Dieses etwas ist dann vielleicht nicht in einer fernen Galaxie sondern etwas näher, so dass das Teilchen nicht so viel Energie auf dem Weg verliert. Vielleicht ist es auch etwas ganz anderes. Das Universum ist halt wirklich sehr groß. Und auch nur ein einzelnes Teilchen darin zu verstehen, kann enorm schwer sein.…
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1 Sternengeschichten Folge 647: Marie Tharp, die Plattentektonik und die Berge im Ozean 15:35
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Und sie bewegt sich doch (im Inneren) Sternengeschichten Folge 647: Marie Tharp, die Plattentektonik und die Berge im Ozean Unsere Erde ist ein einzigartiger Planet. Es ist der einzige uns bekannte Planet, auf dem es Leben und sogar intelligentes Leben gibt. Es ist der einzige uns bekannte Planet, auf dem Leben überhaupt möglich ist. Das wird sich mit Sicherheit in Zukunft ändern; wir werden Planeten bei anderen Sternen finden, die zumindest in der Theorie ebenfalls lebensfreundliche Bedingungen bieten. Aber auch jetzt schon können wir aus dem, was wir über die Ursachen für die Lebensfreundlichkeit der Erde wissen, Rückschlüsse darüber ziehen, wie häufig solche erdähnlichen und lebensfreundlichen Planeten im Universum sind: Nämlich nicht sehr häufig. Auch wenn anderswo im Universum einige "zweite Erden" sein mögen: Unsere Erde bleibt ein besonderer Ort. Und einer der vielen Gründe, der die Erde so lebensfreundlich, so besonders macht, ist die Tatsache, dass hier Plattentektonik existiert. Dass das so ist, wissen wir noch gar nicht so lange, wie man denken würde. Und DASS wir es wissen, haben wir auch der Arbeit der amerikanischen Geologin Marie Tharp zu verdanken. Mit "Plattentektonik" bezeichnet die Wissenschaft das Phänomen, dass die äußerste Schicht der Erde nicht eine einzige, durchgängige Kugelschale ist. Sondern aus vielen großen und kleinen Stücken besteht, den Kontinentalplatten. Durch die Dynamik im Inneren der Erde bewegen sich diese Platten und das Resultat sind Erdbeben, Vulkanausbrüche, die Bildung von Gebirgen, und so weiter. Die Bewegung der Kontinentalplatten ist aber auch mit ein Grund, warum die Erde überhaupt lebensfreundlich für uns. Die Details würden in dieser Folge zu weit führen, aber die Plattentektonik ist zum Beispiel wichtig, um das Klima zu stabilisieren. Vulkanismus bringt CO2 aus dem Erdinneren in die Atmosphäre, das dann im Gestein gebunden wird, das wiederum durch das Absinken der Kontinentalplatten ins Erdinnere zurück kommt. Dieser langfristige CO2-Kreislauf ist wichtig, um die Erde lebensfreundlich zu halten; die Bildung von Kontinenten und ihr Auseinanderbrechen hat jede Menge unterschiedliche Lebensräume geschaffen, die Evolution beeinflusst, Nährstoffe und Chemikalien recycelt, und so weiter. Ohne Plattentektonik wäre die Erde nicht der Planet, der sie ist und wir würden mit Sicherheit nicht auf ihr leben. Wenn wir wissen wollen, was Planeten lebensfreundlich macht und wo wir sinnvollerweise anderswo im Universum mit Leben rechnen können, dann müssen wir uns auch mit der Plattentektonik beschäftigen. Und das macht die Geologie ja auch sehr intensiv. Das macht die Geophysik, das macht die Astro-Biologie, und so weiter. Aber bevor all diese Forschung stattfinden hat können, hat man erst einmal darauf kommen müssen, dass so etwas wie Plattentektonik überhaupt existiert. Und das mit der Plattentektonik hat übrigens nicht Alfred Wegener erfunden, wie man vielleicht glauben könnte. Wegener, der deutsche Meteorologe hat im Jahr 1915 seine Theorie der Kontinentaldrift veröffentlicht. Darin hat er festgestellt, dass die Umrisse der Kontinente ähnlich aussehen, so ähnlich, dass das eigentlich kein Zufall sein kann. Heute weit voneinander entfernte Kontinente wie Afrika und Südamerika waren früher nicht getrennt, so Wegener. Sondern alle Teil eines riesigen Kontinents, der irgendwann auseinander gebrochen ist. Die Bruchstücke sind dann auseinander gedriftet, bis die Erde dann so ausgesehen hat, wie sie heute aussieht. Das Problem war nur: Alfred Wegener konnte nicht sagen, warum das alles passiert und welcher Mechanismus dafür sorgt, das Kontinente auseinanderbrechen und voneinander weg driften. Und unter anderem deswegen hat sich diese Idee auch nicht durchgesetzt. Solche Mechanismen wurden dann aber bald entwickelt, zum Beispiel vom österreichischen Geologen Otto Ampferer. Er stellte sich das Innere der Erde dynamisch vor, mit Strömen aus geschmolzenen Gestein, die zur Bewegung der Kontinentalplatten führen. Auch andere entwickelten ähnliche Ideen, aber trotzdem hat sich diese Theorie der Plattentektonik nicht wirklich durchsetzen können. In der Geologie war die Mehrheit immer noch vom "Fixismus" überzeugt, also der Ansicht, dass sich die Kontinente eben nicht bewegen. Wenn, dann gibt es höchstens ein bisschen Bewegung in vertikaler Richtung, dh. die Erdkruste kann sich zum Beispiel aufwölben. Gebirge und ähnliches sind entstanden, weil sich die Erde im Laufe der Zeit abgekühlt hat und dabei geschrumpft ist. Dabei ist die Kruste ein bisschen zerbrochen, hat sich ein bisschen verschoben, und so weiter. Aber die enorme Dynamik, die im Inneren der Erde abläuft und an der Erdoberfläche für die Bewegung von Kontinenten sorgt, für Erdbeben und Vulkanausbrüche und so weiter: Die hat man abgelehnt. Das war so bis in die 1960er Jahre; erst durch die Arbeit der amerikanischen Geologin Marie Tharp ist - buchstäblich - Bewegung in die Sache gekommen. Marie Tharp wurde am 30. Juli 1920 geboren. Ihre Mutter war Lehrerin für Deutsch und Latein, ihr Vater ein Gutachter für das Landwirtschaftsministerium, der deswegen durch die ganze USA gezogen ist, um Böden zu kartieren. Seine Familie ist ihm gefolgt und Marie hat ihm bei der Arbeit geholfen und so schon von Kindheit an gelernt, wie man Karten erstellt. Ihr Vater hat ihr auch gesagt, dass sie im Leben nach einer Arbeit suchen soll, die sie gerne hat. Während ihres Studiums an der Universität Ohio ist Marie das aber schwer gefallen. Sie hat ihr Hauptfach ständig geändert, mal Englisch, mal Musik, mal Mathematik, aber als Frau hatte man damals nicht viele Möglichkeiten: Lehrerin, Sekretärin und Krankenschwester waren die Optionen für Marie Tharp und nichts davon hat ihr Spaß gemacht. Aber dann, im Jahr 1941, hat Japan den amerikanischen Stützpunkt Pearl Harbor angegriffen, die USA sind in den zweiten Weltkrieg eingetreten und auf einmal gab es jede Menge Jobs, die niemand mehr machen konnte, weil die Männer alle im Krieg waren. Also mussten die Frauen die Lücken füllen und eine dieser Lücken fand Marie Tharp in der Geologie. Mit einem Studium der Geologie könne man, so die Werbung der Uni, danach einen Job in der Erdölindustrie kriegen. Also studierte Tharp Geologie und bekam einen Job bei einer Ölfirma. Aber der hat ihr auch nicht so wirklich großen Spaß gemacht. Also ging sie nach New York, um dort nach größeren Herausforderungen zu suchen. Im Amerikanischen Museum für Naturgeschichte, wo sie es zuerst versucht hat, hat sie die nicht gefunden. Aber dafür an der Columbia Universität. Dort arbeitete der Geophysiker William Maurice Ewing, der durchaus überrascht von ihrer vielseitigen Ausbildung war. Aber nicht beeindruckt genug, um sie auch entsprechend einzusetzen. Er hat sie als Zeichnerin eingestellt, die basierend auf den Daten der Geologen Karten und ähnliches erstellt. Im Laufe der Zeit waren es dann aber vor allem die Daten eines Geologen, die sie fast ausschließlich bearbeitet hat: Bruce Heezen, der fast gleichzeitig mit Marie Tharp an der Universität Colombia zu arbeiten anfing. Und nein, das wird jetzt keine Liebesgeschichte; Tharp und Heezen haben tatsächlich nur zusammengearbeitet, nicht mehr. Und was haben die beiden so gearbeitet? Sie haben Daten gesammelt und ausgewertet. Oder besser gesagt: Heezen hat Daten gesammelt, denn die Daten um die es geht, sind Tiefenmessungen der Ozeane. Dafür muss man mit einem Schiff übers Meer fahren, und das durfte Tharp nicht, weil sie eine Frau war. Ihr Job war es, aus den Daten von Heezen und jeder Menge Messungen anderer Leute herauzufinden, wie der Grund des Ozeans aussieht. Damals dachte man noch, dass da nicht viel zu sehen ist. Am Grund der Meere ist mehr oder weniger eine Ebene, ohne besondere Eigenschaften. Ok, hier und da gibt es ein paar Aufwölbungen, ein paar Gebirge, wenn man so will. Das bisschen an Daten, dass man bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gesammelt hatte, haben zum Beispiel gezeigt, dass sich da mitten durch den Atlantik, von Nord nach Süd, eine Zone zieht, wo der Ozean nicht ganz so tief ist. Aber unter dem Wasser sollte es definitiv nicht aussehen wie am Land. Die Auswertung der Daten war gar nicht so einfach. Ein Schiff konnte damals nur per Echolot die Tiefe messen. Und auch nur die Tiefe an genau dem einen Punkt, an dem man eben gerade misst. Ein Schallsignal wird durchs Wasser geschickt und dann wartet man, bis es wieder zurück kommt. Aus der Zeit die es dauert, bis der Schall am Ozeanboden reflektiert wird, kann man dann die Tiefe bestimmen. Tharp hatte also Unmengen solcher Einzelmessungen, verteilt über das Meer, immer dort wo die Schiffe gerade lang gefahren sind. Aber irgendwann hatte sie einen Schwung mehr oder weniger komplette Profile an Messungen, einmal quer über den Atlantik, von Ost nach West. Sechs Stück insgesamt, also vereinfacht gesagt, sechs Linien, die anzeigen, wie tief der Atlantik entlang dieser sechs Linien ist. Dort hat sie dann das gesehen, was man schon wusste: Nämlich dass sich in der Mitte eine Erhebung befindet. Sie hat aber auch entdeckt, dass in der Mitte des Gebirges eine Art tiefes Tal ist. Das war neu. Marie Tharp war überzeugt, dass es sich um einen Grabenbruch handelt. Heezen hielt das für Quatsch und hat die Sache mit dem Grabenbruch als "girl Talk" bezeichnet, also als "Frauengeschwätz". Um den Grund für diese Ablehnung zu verstehen, muss man wissen, was es bedeutet, wenn da wirklich ein Grabenbruch wäre. So ein Grabenbruch ist im Wesentlichen eine tiefe Spalte, die dort entsteht, wo die Erdkruste gedehnt wird. Und was kann die Erdkruste dehnen? Plattentektonik, war Tharp überzeugt. Dort, wo neues Material, wo Magma aus dem Inneren der Erde nach oben steigt, muss ein Riss entstehen, der die links und rechts davon gelegenen Platten auseinanderschiebt. So entsteht ein Grabenbruch und wenn sich sowas im Atlantik befindet, dann wäre das ein starker Beleg dafür, dass Plattentektonik tatsächlich existiert. Heezen war aber, so wie fast alle in der Geologie damals, Anhänger des Fixismus und hat alles abgelehnt, was nach Plattentektonik aussah. So oder so: Die beiden haben weiter Daten gesammelt und Karten gezeichnet. Sie durften aber keine exakten Karten mit Höhenlinien zeichnen. Beziehungsweise durften sie das schon, aber die hat die amerikanische Navy als geheim eingestuft, also konnten sie nicht veröffentlich werden. Also haben Tharp und Heezen angefangen, physiographische Karten zu zeichnen. Das sind Karten, die die Erdoberfläche so zeigen, wie sie zum Beispiel aus einem tief fliegenden Flugzeug aussieht. Also Karten, die die physischen Eigenschaften der Landschaft zeigen, wo man Erhebungen erkennt, und auch die Landschaftsformen und Strukturen. Solche Karten kennt man aus jedem Atlas; es sind die Karten, auf denen man sofort die Gebirge, Wälder und Wüsten sieht und die sich nicht mit den politischen Grenzen der Länder aufhalten. In der Zwischenzeit hatte Tharp auch Gesellschaft im Büro bekommen. Howard Foster, dessen Aufgabe es war, Daten von tausenden Erdbeben in Karten einzuzeichnen. Dabei bemerkten die beiden, dass sich die Erdbeben genau dort ereignen, wo Tharp in ihren Karten die Grabenbrüche lokalisiert hat. Mittlerweile war auch Heezen überzeugt von den Grabenbrüchen und der Plattentektonik und die Übereinstimmung mit den Erdbeben war ein weitere Beleg dafür, dass die Plattentektonik real ist. 1956 wurde die erste Karte des Atlantiks der beiden veröffentlicht, aber die Arbeit war noch lange nicht vorbei. Noch mehr Daten wurden eingearbeitet, aus dem Mittelmeer, dem indischen Ozean, und so weiter. Außerdem gab es Streit zwischen Bruce Heezen und William Maurice Ewing, dem Chef der Abteilung. Ewing konnte Heezen nicht rauswerfen, weil der eine unkündbare Stelle an der Uni gehabt hat. Also wurde stattdessen und ungerechterweise einfach Marie Tharp gefeuert. Aber Heezen hatte noch Forschungsgelder von der Navy, mit denen er Tharp bezahlen konnte, die jetzt eben nicht mehr an der Uni sondern von zuhause aus gearbeitet hat. Die schönste Karte des Meeresbodens wurde 1975 veröffentlicht: Das National Geographic Magazin hatte sie in Auftrag gegeben und dafür eine Zusammenarbeit von Tharp und Heezen mit Heinrich Berann angeregt. Der österreichische Grafiker hatte einen ganze eigenen Stil entwickelt, Panoromakarten der österreichischen Alpen zu zeichnen - und wer schon mal in Österreich Skifahren war und sich die Karten mit der Übersicht über die Pisten angesehen hat, hat dort genau diesen Stil gesehen - der nicht nur wissenschaftlich sondern auch künstlerisch eindrucksvoll war. Die fertige Karte sieht auch heute noch beeindruckend in ihrer Ästhetik aus, auch wenn wir mittlerweile natürlich sehr viel mehr wissen als damals. Aber all die Karten, die Marie Tharp gemeinsam mit Bruce Heezen und später mit Heinrich Berann gezeichnet und veröffentlicht hat, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich im Laufe der 1960er Jahre die Meinung der wissenschaftlichen Gemeinschaft geändert hat. Heute zweifelt kaum noch jemand daran, dass Plattentektonik stattfindet. Marie Tharp hat das später so beschrieben: "Ich denke, unsere Karten haben zu einer Revolution im geologischen Denken beigetragen, die in gewisser Weise mit der kopernikanischen Revolution vergleichbar ist. Wissenschaftler*innen und die breite Öffentlichkeit erhielten erstmals ein relativ realistisches Bild eines riesigen Teils des Planeten, den sie selbst nie sehen konnten. Die Karten wurden breit rezipiert und weit verbreitet. Sie brachten die Theorie der Kontinentaldrift in den Bereich rationaler Spekulation. Man konnte den weltumspannenden mittelatlantischen Rücken sehen – und erkennen, dass er mit Erdbeben zusammenfiel. Die Grenzen der Platten wurden sichtbar, was rasch zur umfassenderen Theorie der Plattentektonik führte." Und heute wissen wir auch, welche wichtige Rolle Marie Tharp dabei gespielt hat. Damals ist der Ruhm im Wesentlichen Bruce Heezen zugefallen und die Arbeit von Tharp wurde ignoriert. Aber auch darüber ist sie nicht unglücklich gewesen. 1999, 7 Jahre vor ihrem Tod am 23. August 2006 hat sie einen Artikel über ihr Leben und ihre Arbeit mit folgenden Worten beendet: "Ich habe den Großteil meiner wissenschaftlichen Laufbahn im Hintergrund gearbeitet, aber ich hege absolut keinen Groll. Ich fand, ich hatte großes Glück, einen so interessanten Beruf zu haben. Die Entdeckung des Grabenbruchs und des mittelozeanischen Rückens, der sich über 40.000 Meilen um die ganze Welt zieht – das war etwas Bedeutendes. So etwas kann man nur einmal entdecken. Größer als das kann man auf diesem Planeten nichts finden."…
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1 Sternengeschichten LIVE in Eschweiler und München und ein Hörbuch 2:51
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Kommt zur Live Show Sternengeschichten LIVE in Eschweiler und München und ein Hörbuch Hallo liebe Hörerinnen und Hörer, Ich hab euch im Dezember schon mal außerhalb der üblichen Folgen Bescheid gesagt, dass es im Jahr 2025 eine Sternengeschichten Live Show geben wird. Und genau so ist es! Die ersten Premieren sind erfolgreich absolviert und die die Show ist soweit gediehen und verfeinert, dass sie - wie ich völlig objektiv sagen kann - wirklich toll ist! Es gibt spannende Geschichten über Astronomie, natürlich. Aber es gibt auch ein paar Experimente; ich zeige, wie die Astronomie die Welt retten kann, wenn es mal nötig wird. Ich zeige euch, wie das Universum schmeckt und es gibt bei jeder Show eine exklusive Sternengeschichte, die nur an diesem einem Abend zu hören sein wird und bei jeder Show wird es natürliche eine andere Geschichte sein. Die nächsten Shows finden am 26. Mai in Eschweiler und am 4. Juni in München statt und es gibt noch ein paar Karten. Die findet ihr unter sternengeschichten.live, genau so wie Karten für die weiteren Shows die dann ab Herbst überall in Deutschland stattfinden werden. Und wenn es noch keine Show an einem Ort in eurer Nähe gibt, dann wird sich das sicherlich ab 2026 ändern. Ich würde mich sehr freuen, euch bei den Auftritten zu sehen! Das ist das beste an diesen Shows - endlich sehe ich auch mal, wer den Podcast so hört! Beim letzten Mal habe ich außerdem noch erwähnt, dass im März 2025 das "Sternengeschichten" Hörbuch erscheinen wird. Auch das ist mittlerweile passiert. 50 Geschichten aus dem Podcast, gekürzt, erweitert, modifiziert, und so weiter, damit es einen roten Faden gibt, plus ein paar ganz neue Geschichten, die es nicht im Podcast gegeben hat und alles natürlich neu aufgenommen. Das ganze gibt es als Hörbuch überall dort zu hören, wo man Hörbücher hören will; ihr könnt es aber auch als echtes, physisches Objekt kaufen, d.h. als mp3-CD, mit einem schönen Booklet, Bildern, usw, das man unabhängig vom Internet hören kann. Und das war es auch schon wieder. Ich freu mich, wenn wir uns bei einer meiner Liveshows sehen werden. Ich freu mich vor allem, wenn ihr weiterhin den Podcast hört und ihn so gerne hört, wie ihr ihn bisher gehört habt. Viel Spaß mit den kommenden Folgen Bis bald, im Podcast oder Live! Tickets für die Sternengeschichten-Liveshow: https://sternengeschichten.live/ Hörbuch "Sternengeschichten": https://www.penguin.de/buecher/florian-freistetter-sternengeschichten/hoerbuch-mp3-cd/9783844553062 Wer die Sternengeschichten finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal ( https://www.paypal.me/florianfreistetter) , Patreon ( https://www.patreon.com/sternengeschichten ) oder Steady ( https://steadyhq.com/sternengeschichten )…
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1 Sternengeschichten Folge 646: Coatlicue - die Mutter der Sonne 9:36
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Solare Ahnenforschung Sternengeschichten Folge 646: Coatlicue - die Mutter der Sonne Wie ist die Sonne entstanden? Die kurze Version und die, die man fast immer irgendwo zu hören bekommt geht so: Zuerst war da eine große kosmische Wolke aus Gas und diese Wolke ist dann irgendwann kollabiert, zum Beispiel weil sich in der Nähe ein Stern vorbei bewegt hat oder ein älterer Stern in der Umgebung explodiert ist. Das hat das Gleichgewicht der Wolke gestört und sie ist unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammengefallen. Das Gas hat sich verdichtet, so sehr, dass irgendwann die Kernfusion eingesetzt hat und ein Stern entstanden ist. Und diese Erklärung ist nicht falsch. Aber sie lässt sehr viel aus und sehr viel davon ist sehr interessant. Zwischen dem Kollaps der Wolke und der fertigen Sonne passiert noch jede Menge, auf das möchte ich heute aber nicht eingehen - über diese Prozesse habe ich auch schon in jeder Menge anderer Folgen gesprochen. Heute geht es um das, was vor dem Kollaps der Wolke passiert ist beziehungsweise um das, was dazu geführt hat, dass die Wolke kollabiert ist. Es geht also um Dinge, die vor der Geburt der Sonne passiert sind, also gewissermaßen um die Vorfahren unserer Sonne. Zuerst aber müssen wir eine Angelegenheit klären: Wie um Himmels Willen soll man so etwas erforschen? Das ist alles ja schon Milliarden Jahre her. Wir können ja nicht in der Zeit zurück reisen und wir können nicht einmal in der Zeit zurück schauen, was in der Astronomie ja tatsächlich geht. Aber auch nur, wenn wir gleichzeitig in die Ferne schauen. Wenn wir Objekte betrachten, deren Licht Milliarden Jahre zu uns gebraucht hat, dann sehen wir sie auch so, wie sie vor Milliarden von Jahren ausgesehen haben. Aber das geht bei der Sonne nicht. Die ist ja keine Milliarden Lichtjahre entfernt sondern direkt hier, bei uns. Also: Wie wollen wir rausfinden, was in der Vergangenheit passiert. Das ist nicht einfach, aber nicht unmöglich. Denn die Vergangenheit hat Spuren hinterlassen, zum Beispiel in Form von sogenannten kurzlebigen Radionukleiden. So bezeichnet man radioaktive Elemente, deren Halbwertszeit weniger als 100 Millionen Jahren beträgt. Die werden überall im Universum bei diversen astrophysikalischen Prozessen erzeugt und sind daher auch überall. Und weil das Zeug überall ist, war es auch in der Wolke aus der die Sonne entstanden ist. Und wir finden diese Elemente auch heute noch in den Meteoriten, die ja die Überbleibsel aus der Zeit der Entstehung des Sonnensystems sind. Sie sind das Material, aus dem keine Planeten entstanden sind; das nicht Teil der Sonne geworden ist und wir können aus der Untersuchung der Meteoriten Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Wolke ziehen, aus der Sonne und Sonnensystem entstanden ist. Wir finden in den Meteoriten zum Beispiel das Element Iridium 129 und wir finden es in ziemlich genau der Menge, in der es auch überall sonst in der Milchstraße zu finden ist. Das ist wenig überraschend; das ist genau das, was man erwarten würde. Es gibt aber andere Elemente, bei denen das nicht so ist. Aluminium 26 zum Beispiel oder Eisen 60. Von denen finden wir mehr, als man erwarten würde. Das bedeutet, dass das nicht einfach Material ist, das halt einfach schon da war, als das Sonnensystem entstanden ist, weil diese Elemente halt überall in der Milchstraße zu finden sind. Das bedeutet, dass Elemente wie Aluminium 26 oder Eisen 60 nicht allzu lange vor der Geburt der Sonne nochmal lokal entstanden sind. Oder anders gesagt: Bevor die kosmische Wolke zur Sonne kollabiert ist, müssen Prozesse abgelaufen sein, die nochmal frisches Aluminium 26 und Eisen 60 produziert haben. Was sind das für Prozesse? Wir wissen, dass diese Elemente zum Beispiel bei Supernova-Explosionen gebildet werden können, also dann, wenn ein massereicher Stern sein Leben explosiv beendet, nachdem in seinem Inneren die Kernfusion aufgehört hat. Und lange Zeit war das auch die übliche Erklärung: Eine Supernova hat in der Umgebung der kosmischen Wolke stattgefunden und dort die ganzen kurzlebigen Radionukleide reingepustet. Das ist nicht unrealistisch, aber wenn man das alles im Detail durchrechnet, dann gibt es Probleme. Um die beobachteten Mengen an Aluminium 26 und Eisen 60 in die kosmische Wolke zu bringen, müsste so eine Supernova in so geringer Entfernung zur Wolke stattfinden, dass dadurch die Entstehung neuer Sterne massiv behindert wird. Weil so eine Supernova-Explosion kann zwar den Kollaps einer Wolke und damit die Sternentstehung auslösen. Findet sie zu nah an der Wolke statt, kann sie aber auch, vereinfacht gesagt, das Gas der Wolke so aufheizen und in der Gegend verteilen, so dass keine Sterne daraus entstehen können. Das ganze muss also anders stattgefunden haben und bevor wir uns anschauen, wie das ausgesehen haben könnte, müssen wir noch einen wichtigen Punkt klären. Ich habe bis jetzt immer gesagt: Die Wolke kollabiert und daraus entsteht die Sonne. Und das ist auch richtig, aber es entsteht nicht nur die Sonne. Diese Wolken sind riesig und aus ihrem Kollaps entsteht weit mehr als nur ein Stern. Die Sonne hat hunderte oder tausende Geschwister; aus dem Kollaps sind jede Menge Sterne entstanden. Das ist wichtig, wenn wir verstehen wollen, wie das damals alles abgelaufen ist. Angefangen hat alles mit einer Riesenmolekülwolke, also einer enorm großen kosmischen Wolke, die vor allem aus Wasserstoff besteht. Und "enorm groß" heißt hier, dass die Wolke durchaus ein paar hundert Lichtjahre groß gewesen sein kann. Dort entstehen jede Menge massereiche Sterne, die so heiß brennen, dass sie schon nach ein paar Millionen Jahren ihren Brennstoff für die Kernfusion aufgebraucht haben und als Supernovae explodieren. Dabei produzieren diese Sterne unter anderem jede Menge Eisen 60, dass sich in der Umgebung verteilt. Gleichzeitig regen die Supernova-Explosionen die Entstehung neuer Sterne an, weil sie weiteres Gas der Wolke zum kollabieren bringen. Es entsteht ein Sternhaufen, also jede Menge eng benachtbarte Sterne von denen mindestens einer wirklich groß ist, also eine Masse hat, die größer als die 32fache Masse der Sonne ist. So ein großer Stern hat auch einen massiven Sternwind, dass heißt, er schleudert ständig Material aus seinen äußeren Schichten hinaus ins All. Und zu dem Material, dass solche großen Sterne ständig hinaus ins All pusten, gehört auch Aluminium 26. Gleichzeitig sorgen die Sternwinde dafür, dass das Wasserstoffgas in der Wolke verdichtet wird. Wir haben nun also in der Umgebung dieser Riesensterne schalenartige Strukturen aus verdichteten Wasserstoff, in denen sich einerseits das Eisen 60 von den Sternen vom Anfang befindet und andererseits das Aluminium 26 aus den Sternwinden der großen Sterne, die danach gekommen sind. Und aus diesen verdichteten Bereichen entstehen nun noch einmal neue Sterne, und einer davon ist unsere Sonne. Man kann das alles entsprechend im Computer modellieren und schauen, wie viele Sterne jeweils entstehen müssen, wann wie viele Sterne zur Supernova werden müssen, wie viele große Sterne mit Sternwind es braucht, und so weiter und dann prüfen, welche Konfiguration am besten geeignet ist, um die beobachteten Mengen an Eisen 60 und Aluminium 26 im Sonnensystem zu erklären. Das Ergebnis sieht dann so aus: Die Sonne ist, wenn man so will, die Enkelin eines Sternenkomplexes aus ein paar zehntausend massereichen Sternen. Sie ist die Tochter eines sehr massereichen Sterns, der Teil eines Sternhaufens war, der um die 1200 Sterne beinhaltet hat. Und die Sonne selbst ist gemeinsam mit ungefähr 600 Geschwistern entstanden. Und natürlich hat man sich auch schon einen Namen für die "Mutter der Sonne" überlegt, also diesen Stern mit mehr als 32 Sonnenmassen, der mit seinem Sternwind das Aluminium 26 erzeugt hat, das wir heute in den Meteoriten beobachten und das Wasserstoffgas so verdichtet hat, dass daraus später die Sonne mit ihren Geschwistern entstehen hat können. Matthieu Gounelle und Georges Meynet, die beiden Forscher die dieses Modell entwickelt haben, haben ihm den Namen "Coatlicue". Wörtlich übersetzt bedeutet das "Die mit dem Schlangenrock" und es ist der Name einer aztekischen Göttin. Einer Göttin, die unter anderem die Mutter des aztekischen Sonnengottes ist. Die Mutter unserer Sonne existiert allerdings nicht mehr. Coatlicue ist schon vor Milliarden von Jahren als Supernova explodiert. So große Sterne leben nicht lange, weil die Kernfusion in ihrem Inneren so enorm schnell abläuft. Aber ihre kleine Tochter, die Sonne, hat zum Glück ein viel längeres Leben vor sich.…
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1 Sternengeschichten Folge 645: Das Wassermannzeitalter 12:58
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Von Himmelsmechanik zur Astrologie Sternengeschichten Folge 645: Das Wassermannzeitalter "This is the dawning of the Age of Aquarius". Diese Textzeile aus einem Lied des bekannten Musicals "Hair" haben vermutlich die meisten schon mal gehört. Genau so wie den Begriff "Wassermannzeitalter", die deutsche Übersetzung von "Age of Aquarius". Und man muss nicht sonderlich viel Ahnung haben, um zu erkennen, dass es dabei um Astrologie geht, immerhin heißt es ja auch im Text des Liedes zum Beispiel "wenn der Mond im siebten Haus steht und Jupiter sich an Mars ausrichtet, dann wird Friede die Planeten leiten". Und keine Sorge - ich werde hier jetzt keine Podcastfolge über ein Hippie-Musical aus dem Jahr 1968 machen. Aber die Sache mit dem Wassermannzeitalter taucht auch außerhalb der Musiktheater immer wieder auf und hat, trotz der Astrologie, einen wissenschaftlichen Hintergrund. Wenn wir wissen wollen, was es mit dem Wassermannzeitalter auf sich hat, müssen wir zuerst klären, was der Frühlingspunkt ist. Den Begriff habe ich schon in diversen Folgen immer wieder erwähnt, weil es sich um ein durchaus grundlegendes Konzept in der Astronomie handelt. Stellen wir uns dazu die Erde vor. Die Erdkugel hat einen Äquator und wir können uns vorstellen, dass wir diesen Äquator auf den Himmel projizieren. Dann läuft, parallel zum Äquator der Erde eine Linie einmal rund um den Himmel und diese Linie ist der Himmelsäquator. Er teilt den Himmel in einen nördlichen und einen südlichen Bereich und das ist es auch, was gemeint ist, wenn man zum Beispiel sagt, dass Cassiopeia oder der große Bär Sternbilder am Nordhimmel sind oder das Kreuz des Südens sich am Südhimmel befindet. Wir wissen außerdem, dass sich die Erde um die Sonne bewegt. Von der Erde aus betrachtet erscheint es uns aber natürlich so, als würde sich die Sonne bewegen und die Erde stillstehen. Und mit "Bewegung der Sonne" meine ich jetzt nicht, dass die Sonne morgens über dem Horizont aufgeht, bis Mittags am Himmel immer weiter nach oben wandert und dann am Abend wieder hinter dem Horizont verschwindet. Diese scheinbare Bewegung ist das Resultat der Tatsache, dass sich die Erde einmal pro Tag um ihre Achse dreht. Es geht um etwas anderes: Wir können zwar keine Sterne sehen, wenn die Sonne am Himmel steht, aber sie sind natürlich trotzdem da. Stellen wir uns jetzt vor, wir messen jeden Tag die Position der Sonne am Himmel, immer zum selben Zeitpunkt, zum Beispiel genau zu Mittag. Würden wir diese Position in einen Karte des Himmels eintragen, dann würden wir merken, dass sich die Sterne im Hintergrund im Laufe der Zeit langsam verändern. Das ist auch logisch, weil sich der Blickwinkel verändert, unter dem wir die Sonne betrachten. Stellen wir uns vor, wir machen einen Spaziergang, einmal um ein kleines Dorf rundherum. In der Mitte des Dorfes steht eine Kirche, das ist die Sonne. Wir selbst sind die Erde und so wie die Erde sich um die Sonne bewegt, bewegen wir uns einmal rund um das Dorf mit dem Kirchturm. Wenn wir alle paar Minuten Rast machen und zum Kirchturm schauen, werden wir bemerken, dass sich der Hintergrund ändert, weil sich unsere Position geändert hat. Genau so ändern sich die Sterne, die wir im Hintergrund der Sonne sehen könnten, wenn wir sie jeden Tag beobachten. Das ist alles noch recht einfach zu verstehen, sowohl beim Spaziergang als auch bei der Sonne. Und wenn wir jetzt eine Linie in unsere Sternkarte zeichnen, die die scheinbare Position der Sonne im Laufe eines Jahres vor dem Hintergrund der Sterne angibt, dann ist das die sogenannte "Ekliptik". Sie läuft, wie der Himmelsäquator, einmal um den ganzen Himmel rundherum. Die Eklitik zeigt uns die scheinbare Bahn der Sonne an, die sie in einem Jahr zurück legt, beziehungsweise ist die auf den Himmel projizierte Bahnebene, in der sich die Erde um die Sonne bewegt. Wenn wir das alles machen, also einmal die Ekliptik in die Karte einzeichnen und dann auch noch den Himmelsäquator, dann werden wir merken, dass beide Linien nicht übereinstimmen. Das würden sie nur dann tun, wenn die Erdachse exakt senkrecht auf die Ebene der Erdbahn steht. Das tut sie aber nicht: Die Rotationsachse der Erde ist um gut 23,5 Grad aus der Senkrechten gekippt. Und deswegen ist auch der Himmelsäquator um genau diese 23,5 Grad gegenüber der Ekliptik gekippt. Und DAS bedeutet: Es gibt nur zwei Punkte, in denen sich diese beiden Kreise schneiden. Diese beiden Punkte sind etwas besonderes. Erinnern wir uns: Die Ekliptik gibt uns die scheinbare Position der Sonne am Himmel der Erde an. Eine Hälfte des Jahres bewegt sich die Sonne in dem Teil der Ekliptik, der sich über der Linie des Himmelsäquators befindet; in der anderen Hälfte des Jahres auf dem Teil, der unter dem Himmelsäquator verläuft. Wenn wir die Sonne über dem Himmelsäquator sehen, dann ist sie auch lange zu sehen; die Tage dauern lange; länger als die Nacht und wir haben Sommer. Im anderen Fall ist es umgekehrt und es ist Winter. Aber wenn sich die Sonne genau in den Schnittpunkten zwischen Himmelsäquator und Ekliptik befindet, dann sind Tag und Nacht exakt gleich lang. Diese beiden Tagen im Jahr, wo das passiert, markieren den Anfang des Frühlings und den Anfang des Herbst. Und den einen Punkt, wo die Sonne von unterhalb des Himmelsäquators kommt, nennen wir den Frühlingspunkt, weil es der Tag ist, an dem der astronomische Frühling beginnt. Diesen Punkt haben wir in der Astronomie außerdem als Nullpunkt eines der wichtigen Himmelskoordinatensystem gewählt. Wir brauchen da ja Koordinaten, die unabhängig von der Bewegung und der Rotation der Erde sind, ansonsten würden sich die Koordinaten der Sterne andauernd verändern. Also definiert man ein Koordinatensystem, das sich mit der Erde mitbewegt und der Frühlingspunkt ist da ein super Nullpunkt. Nur dass der Frühlingspunkt nicht wirklich ein Nullpunkt ist. Wo genau sich der Frühlingspunkt befindet, hängt davon ab, in welche Richtung die Erdachse zeigt. Die ist zwar immer um genau 23,5 Grad aus der Senkrechten geneigt, beziehungsweise verändert sich dieser Wert nur wenig. Aber die Richtung am Himmel in die die geneigte Achse zeigt, ist nicht fix. Das hat schon der griechische Gelehrte Hipparch vor mehr als 2000 Jahren festgestellt, als er alte Koordinatenangaben von Sternen aus der Zeit der Babylonier mit seinen eigenen, neueren Messungen verglichen hat. Heute wissen wir, dass er recht gehabt hat: Die Erdachse dreht sich: Der Punkt auf den sie am Himmel zeigt, verändert sich im Lauf der Zeit. Aktuell zeigt die Erdachse mit ihrem nördlichen Ende fast genau in Richtung des Polarsterns. Aber in der Vergangenheit hat sie anderswo hin gezeigt und in Zukunft wird sie anderswohin zeigen. Der Punkt auf den sie zeigt, beschreibt einen kleinen Kreis am Himmel. Und wenn man jetzt eine gute Vorstellungskraft hat - oder sich entsprechende Bilder im Internet ansieht - kann man erkennen, was das für Auswirkungen hat. Wenn sich die Ausrichtung der Erdachse verändert, verändert sich auch der Ort, an dem die Ekliptik und der Himmelsäquator einander schneiden. Oder anders gesagt: Während der Punkt an den die Erdachse am Himmel zeigt einen kompletten Kreis durchläuft, läuft auch der Frühlingspunkt einmal um den ganzen Himmel herum. Wie gesagt: Das ist alles echte Astronomie; das wissen wir seit der Zeit von Hipparch; wir wissen heute auch, warum die Erdachse das macht (das liegt daran, dass die Erde keine exakte Kugelform hat und an der Anziehungskraft des Mondes) und wir wissen, dass es circa 25.800 Jahre lang dauert, bis der Frühlingspunkt einmal um den Himmel gelaufen ist. Wir müssen das berücksichtigen, wenn wir Positionsangaben in der Astronomie machen und ältere Koordinatenangaben entsprechend umrechnen, wenn wir sie mit aktuellen Daten vergleichen. Mit Astrologie hat das alles noch nichts zu tun. Die kommt erst ins Spiel, wenn man sich ansieht, wo am Himmel der Frühlingspunkt zu bestimmten Zeiten zu sehen ist. Wenn wir zum Beispiel nachsehen, wo sich Himmelsäquator und Ekliptik zur Zeit schneiden, dann tun sie das dort, wo wir auch das Sternbild der Fische sehen können. Früher, in der Antike, war das aber nicht so. Damals hat sich der Frühlingspunkt im Sternbild des Widders befunden. Anders gesagt: Wenn heute der Frühling (auf der Nordhalbkugel) beginnt, sehen wir die Sonne vor dem Hintergrund der Sterne, die das Sternbild Fische bilden; damals war zur selben Zeit im Hintergrund das Sternbild des Widders zu sehen. Und in Zukunft wird sich der Hintergrund natürlich wieder ändern; ich habe ja gerade vorhin erklärt, dass der Frühlingspunkt einmal in 25.800 Jahren um den ganzen Himmel herum läuft. Das nächste Sternbild, in dem wir den Frühlingspunkt beobachten werden könne, ist das des Wassermanns. Und DAS ist es, was die Astrologie mit diesen Zeitaltern meint. Das Wassermannzeitalter beginnt, wenn der Frühlingspunkt das Sternbild der Fische verlässt und ins Sternbild des Wassermanns eintritt. Und was passiert dann? Nichts natürlich - aber Astrologie und Esoterik haben natürlich jede Menge obskure Vorstellungen. Das Zeitalter der Fische sagen sie zum Beispiel, hat begonnen, als sich das Christentum vor gut 2000 Jahren etabliert hat; immerhin ist ja der Fisch auch das Zeichen der Christen. Das Wassermannzeitalter wird dann einen neuen radikalen Wandel des menschlichen Denkens bringen; Materialismus wird enden, alles wird spiritueller, freier, und so weiter. Das Zeitalter des Monotheismus ist vorbei, der Mensch wird wieder im Mittelpunkt stehen, aber in seiner spirituellen-göttlichen Form. Und so weiter - man kann da jede Menge Interpretationen finden. Und wann ist es so weit? Tja - das ist das Problem. Das lässt sich nicht sagen. Denn dafür müssten sich alle einig darüber sein, wo die Grenzen der Sternbilder am Himmel liegen. Nimmt man die von der Astronomie offiziell definierten Grenzen, dann wird das Wassermannzeitalter irgendwann um das Jahr 2600 beginnen. Das findet die Astrologie aber doof, die hat ja sowieso ihre eigenen Sternbilder, die nichts mit den realen Sternbildern zu tun haben. Und je nachdem, welcher astrologischen Schule man anhängt, kann man das Wassermannzeitalter schon früher oder später beginnen lassen. Vielleicht kommt es Mitte des 22. Jahrhunderts. Vielleicht erst 2200 oder überhaupt erst im Jahr 3600. Oder vielleicht hat es auch schon längst begonnen. Je nachdem, wo man fragt, hat es nämlich schon 2008, 1997, 1962, 1950 oder 1900 begonnen. Wie gesagt: Aus astronomischer Sicht ist es nicht weiter bemerkenswert, wenn sich die Position des Frühlingspunktes verschiebt. Das ist normal, das macht der Frühlingspunkt seit es die Erde gibt. Die Erde bewegt sich um die Sonne, die Erdachse bewegt sich und deswegen sehen wir immer einen anderen Sternenhintergrund, wenn wir am Himmel in Richtung Frühlingspunkt schauen. Dass wir irgendwann angefangen haben, diese zufällig verteilten Hintergrundsternen zu Figure zu ordnen, ist wieder eine ganz andere Sache. Der Frühlingspunkt kann nichts dafür, dass er mal vor dieser und mal vor jener Figur zu sehen ist.…
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Sternengeschichten

1 Sternengeschichten Folge 644: Formamid und der Ursprung des Lebens 11:43
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Leben ohne Wasser? Sternengeschichten Folge 644: Formamid und der Ursprung des Lebens Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Das ist eine der grundlegenden Fragen der Wissenschaft beziehungsweise eine der grundlegenden Fragen überhaupt. Wir Menschen haben uns das immer schon gefragt und bevor wir die Wissenschaft hatten, um darüber nachzudenken, haben wir uns halt religiöse Schöpfungsmythen ausgedacht, um eine Antwort zu bekommen. Weil wir eine Antwort auf diese Fragen HABEN wollen, weil es eine wichtige Frage ist. Schöpfungsmythen gibt es heute immer noch, aber es gibt mittlerweile auch die Wissenschaft und die hat bis jetzt noch keine eindeutige Antwort auf diese Frage geliefert - aber immerhin ein paar sehr spannende Hinweise. Und die haben mit Blausäure zu tun, mit radioaktivem Material und mit etwas, das "Formamid" heißt. Aber fangen wir mal am Anfang an. Denn der ist es ja, der uns interessiert. Wir wissen mittlerweile sehr gut, wie sich das Leben NACH seiner Entstehung entwickelt hat; wie aus den allerersten Lebewesen die Vielfalt des Lebens entstanden ist, die wir heute auf der Erde beobachten. Das lässt sich mit der Theorie der Evolution sehr gut erklären. Was wir aber noch nicht erklären können ist: Wie das Leben selbst entstanden ist. Nachdem die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist, war da noch kein Leben. Da waren nur jede Menge chemische Stoffe, Moleküle, Atome und so weiter, die an verschiedensten Orten in den verschiedensten Zuständen herumgelegen sind. Irgendwann muss irgendwas passiert sein, so dass komplexere Moleküle entstanden sind, die in der Lage waren, Kopien von sich selbst herzustellen, manchmal mit kleinen Fehlern, also mit Mutationen und das ist der Punkt, wo die Evolution einsetzen kann und wo wir sagen können, dass da jetzt "Leben" ist. Aber wir wollen wissen, was passieren muss und vor allem was es braucht, damit dieser allererste Schritt passieren kann. Und was es braucht ist Wasser! Oder? Das erscheint logisch. Wir wissen, dass das Leben auf der Erde ohne Wasser nicht existieren kann. Wir Menschen und die anderen Lebewesen bestehen zu einem großen Teil aus Wasser. Wenn wir kein Wasser haben, dann sterben wir und es braucht auch Wasser, damit die diversen chemischen Vorgänge in unserem Körper ablaufen können. Und das stimmt zwar alles - aber nicht ganz. Aber dazu kommen wir gleich. Wir wissen, aus diversen chemischen Experimenten, dass wir Nukleinsäuren und Aminosäuren brauchen, damit sich daraus Leben entwicklen kann. Und wir wissen auch, wie diese komplexen Molekülen entstehen können. Aber es hilft uns nicht, wenn auf der frühen Erde hier mal eines dieser Moleküle entsteht und dann dort mal wieder eines. Sie müssen in ausreichend hoher Konzentration entstehen und es braucht deswegen auch eine ausreichend hohe Konzentration der Chemikalien aus denen dann die komplexen Moleküle entstehen können. Oder anders gesagt: Wir brauchen einen Prozess, der dafür sorgt, dass sich diese Vorläuferstoffe ausreichend oft in ausreichend hoher Konzentration an passenden Orten auf der jungen Erde ansammeln. Das nennt sich das "Konzentrationsproblem" und es ist nicht das einzige. Das zweite Problem nennt sich "Wasser-Paradoxon". Denn wir brauchen das Wasser zwar um zu leben und Leben braucht Wasser. Für die Bausteine des Lebens und ihre Bildung ist Wasser aber gar nicht so super. Sie können chemisch mit den Wassermolekülen reagieren und das führt dazu, dass sie zerstört werden. Diese beiden Probleme, das Konzentrationsproblem und das Wasser-Paradoxon machen es schwierig zu erklären, wie sich auf der jungen Erde ausreichend viele Bausteine des Lebens bilden konnten, so dass daraus irgendwann das Leben entsteht. Eine Lösung könnte Formamid sein. Die chemische Formel dafür lautet CH3NO; Formamid besteht als aus Kohlensoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Der Name kommt übrigens vom lateinischen Wort für Ameise - formica - weil Formamid chemisch mit der Ameisensäure verwandt ist, die wiederum so heißt, weil das eine Säure ist, die unter anderem von Ameisen zur Verteidigung produziert und verspritzt wird. Bei normalen Bedingungen, also bei Raumtemperatur und normalen Druck ist Formamid eine farb- und geruchslose Flüssigkeit. Und diese Flüssigkeit ist sehr viel besser als Wasser geeignet, um darin und daraus die Bausteine des Lebens zu produzieren. Das löst unser Problem aber nur bedingt, denn jetzt müssen wir uns fragen, wie auf der jungen Erde ausreichend viel Formamid in ausreichend großer Konzentration entstanden ist. Wir wissen, dass sich Formamid unter anderem aus Blausäure bilden kann. Blausäure besteht aus Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff - bis auf den Sauerstoff haben wir da schon alles, was wir für Formamid brauchen. Den Sauerstoff könnte man aus Wassermolekülen kriegen - aber es fehlt noch eine Zutat, damit die entsprechenden Reaktionen ablaufen. Wassermoleküle fallen ja nicht einfach so auseinander, wenn das so wäre, wäre das sehr blöd für uns. Es braucht Energie, damit das passiert und die muss irgendwo herkommen. Und, die könnte, so eine Vermutung, aus Radioaktivität stammen. Überall auf und in der Erde gibt es diverse radioaktive Elemente, die waren von Anfang an dabei, in dem Material aus dem unser Planet entstanden ist. Es hilft aber nichts, wenn die einfach nur so überall verstreut sind. Es muss ausreichend viel davon an einem Ort geben, damit die Strahlung stark genug ist, um Wassermoleküle aufzuspalten. Aber auch das ist möglich. Das kann einerseits durch Seifen passieren. Damit ist nicht das gemeint, mit dem wir uns die Hände waschen; in dem Fall ist das ein geologischer Fachbegriff. Das fließende Wasser in einem Fluss kann zum Beispiel Material transportieren; Sand, Gestein, und so weiter. Dieses Material kann sich dann unterwegs ablagern und unter den richtigen Bedingungen kann sich das Material dann quasi von selbst sortieren. Unterschiedliche Stoff mit unterschiedlichen Eigenschaften und Gewicht werden unterschiedlich stark und weit transportiert und am Ende wird die Materialmischung sortiert und die einzelnen Stoff konzentrtiert an einem Ort abgeladen. So etwas nennt man "Seife" und es kann durchaus auch sein, dass man dadurch Seifen mit radioaktivem Material kriegt. Also durch Ablagerung natürlich entstandenen Konzentrationen radioaktiver Materialien an unterschiedlichen Orten auf der Erde. Es gibt aber auch noch eine zweite Möglichkeit, nämlich sogenannte "Naturreaktoren". Das sind quasi Kernkraftwerke, die natürlich entstehen. Wenn sich an einem Ort ausreichend viel Uran ansammelt, dann kann dort genau das passieren, was wir in Kernkraftwerken künstlich herstellen: Nämlich eine Kettenreaktion. Uranatome zerfallen, senden dabei Neutronen aus, die wiederrum dafür sorgen dass andere Urantome zerfallen und neue Neutronen aussenden, usw. Damit das ganze nicht zu schnell oder zu langsam passiert, sondern genau in der richtigen Geschwindigkeit, verwenden wir in Kernkraftwerken Moderatoren, also Materialien die genau die richtige Menge an Neutronen durchlassen. In einem Naturreaktor kann Wasser die Rolle eines solchen Moderators spielen und wir wissen, das es so etwas geben kann, weil wir das schon beobachtet haben. In Gabun, in Westafrika, gibt es den Naturreaktor Oklo und wir haben Spuren von sehr viel mehr solcher Naturreaktoren in der Vergangenheit entdeckt. Zu erklären, wie Oklo entstanden ist, wäre wieder eine ganz eigene Geschichte; für diese Geschichte jetzt ist es nur wichtig zu wissen, das es so etwas geben kann. Wir haben also zwei Möglichkeiten, wie auf der frühen Erde ausreichend viel radioaktive Strahlung entstanden sein könnte, um die zur Bildung von Formamid nötigen Reaktionen auszulösen. Einerseits durch Seifen, die durch Sedimentation entstanden sind und andererseits durch Naturreaktoren. Die radioaktive Strahlung kann Wassermoleküle aufspalten und die können sich mit Blausäure zu Formamid verbinden. Aber, wird jetzt vielleicht jemand einwenden wollen, wo kommt die Blausäure her? Die kann relativ einfach aus Acetonitril entstehen, so wie Blausäure ein Molekül aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Auch das kann durch radioaktive Strahlung aufgespalten werden und wenn Wasser vorhanden ist, kann sich daraus Blausäure bilden. Übrigens, und das ist jetzt ein kurzer Exkurs, Blausäure und Acetonitril sind keine obskuren Chemikalien, die nur in irgendwelchen Labors auftauchen. Sie sind überall im Universum zu finden. Wir haben Acetonitril in Kometen nachgewiesen und in den Wolken aus denen Sternen entstehen. Und Blausäure ist quasi überall dort, wo wir hinschauen. In diversen Kometen, in den Atmosphären von Planeten anderer Sterne, wir haben Blausäure in den Eisvulkanen des Saturnmondes Enceladus entdeckt, und so weiter. Acetonitril und Blausäure sind häufige Moleküle, die leicht entstehen und wir können davon ausgehen, dass sie auch auf der jungen Erde entstanden sind und vorhanden waren. Der ganze Prozess könnte jetzt so aussehen: Wir haben irgendwo auf der jungen Erde Wasser. Dieses Wasser hat durch Sedimentation eine Konzentration radioaktiver Elemente abgelagert. Aus Stickstoff und Methan, die in der Atmosphäre der jungen Erde reichlich vorhanden waren, bildet sich Acetontril. Durch die radioaktive Strahlung entsteht daraus Blausäure und daraus, wieder mit Hilfe der Radioaktivität, entsteht zusammen mit Wassermolekülen das Formamid. Das sickert durch den Sedimente in dem sich die Ablagerungen befinden und wo die chemischen Reaktionen ablaufen, bis es auf Grundgestein trifft und sich dort ansammelt. Jetzt haben wir eine ausreichend große Menge an Formamid, und in dieser nicht-wässrigen Lösung können sich jetzt die Bausteine des Lebens bilden. Natürlich ist das alles in Wahrheit sehr viel komplizierter, als ich das jetzt dargestellt habe. Und nur weil das funktionieren kann, wissen wir natürlich noch lange nicht, ob es auch so passiert ist. Aber wir wissen zumindest, dass es einen Weg GIBT, wie das Leben auf der Erde entstanden sein kann, ohne vom Wasser, das es erst später braucht, behindert zu werden. Und wenn es tatsächlich so gelaufen ist, dann hat das spannende Konsequenzen für unsere Suche nach außerirdischem Leben. Denn Blausäure und Acetonitril gibt es, wie gesagt, überall. Es gibt auch überall im Weltall radioaktive Strahlung und es gibt auch jede Menge Wasser. Nicht in flüssiger Form, aber Wassermoleküle sind im Kosmos enorm häufig. Das heißt: Leben kann vielleicht auch dort entstehen, wo wir bisher nicht dachten, das es entstehen kann.…
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Sternengeschichten

1 Sternengeschichten Folge 643: Der Meteorit Neuschwanstein 12:59
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Bayrisches Bombardement aus dem All Sternengeschichten Folge 643: Der Meteorit Neuschwanstein Das Schloss Neuschwanstein in Bayern ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands; über eine Million Menschen pro Jahr schauen sich das von König Ludwig II. gebaute "Märchenschloss", wie es auch oft genannt wird, an - was den Tourismus freut, die Leute, die direkt dort im Ostallgäu leben aber nicht ganz so sehr. Aber das hier ist ja kein Tourismus- oder Tourismuskritik-Podcast, sondern einer über Astronomie. Und deswegen geht es nicht um das Schloss, sondern um den Meteoriten, der das Schloss fast zerstört hätte. Ok, das war jetzt ein wenig übertrieben. Aber es ist nicht völlig falsch. Am 6. April 2002 ist ein Meteorit aus dem Weltall in der Nähe von Schloss Neuschwanstein aufgeschlagen und es wäre nicht völlig unmöglich gewesen, dass er das Schloss getroffen hätte. Aber fangen wir am besten im Weltraum an. Von dort stammt der Brocken und er war an diesem Tag auf Kollisionskurs mit der Erde. Gegen halb elf Uhr Abends war er weit genug in die Atmosphäre eingedrungen, um zu leuchten zu beginnen. Oder korrekterweise gesagt: Nicht der Meteorit hat geleuchtet. Aber weil er mit fast 21 Kilometer pro Sekunde in die Atmosphäre eingetreten ist, hat er bei seinem rasanten Flug durch die Luftschichten die Luftmoleküle angeregt und zum Leuchten gebracht. Die Lichtspur, die er dann über den Himmel gezogen hat, hat in Innsbruck begonnen, da war der Meteorit noch 85 Kilometer über dem Boden. Der Brocken hat da vermutlich ein Gewicht von 300 Kilogramm gehabt. Der Meteorit ist weiter von Tirol in Richtung Bayern geflogen, über Garmisch-Partenkirchen war er nur noch 21 Kilometer vom Boden entfernt und hat heller als der Vollmond geleuchtet. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt hat er auch die Luftreibung nicht mehr ausgehalten und ist in kleinere Bruchstücke zerplatzt. Ab da befand sich der Meteorit in der sogenannten "Dunkelflugphase", wo er sich durch die Atmosphäre bewegt, ohne die Luft zum Leuchten zu bringen. Dafür waren die Brocken jetzt auch zu langsam, sie waren nur noch wenig mehr als 2 Kilometer pro Sekunde drauf. Ein paar Sekunden später waren sie auch langsamer als die Schallgeschwindigkeit und sind nur noch im freien Fall zum Boden gefallen. Dort, in der Nähe von Schloss Neuschwanstein, sind sie dann mit circa 250 km/h aufgeschlagen. Und in dieser letzten Phase des Falls, wenn die Brocken die untersten Schichten der Atmosphäre durchqueren, spielt auch der Wind eine Rolle. Der war an diesem Abend nicht schwach und hat genau von Neuschwanstein kommend in Richtung Österreich geweht - also dem Meteorit entgegen. Das bedeutet, dass die fallenden Brocken am Ende ihres Flugs durch den Wind entgegen ihrer Flugrichtung abgelenkt worden sind. Ansonsten wären sie noch näher an das Schloss Neuschwanstein heran geflogen und auch wenn es enorm unwahrscheinlich ist, wäre es nicht unmöglich gewesen, dass sie das berühmte Bauwerk getroffen hätten. Haben sie aber nicht! Und das haben auch jede Menge Menschen gesehen. Denn die extrem helle Lichterscheinung ist natürlich nicht unbeobachtet geblieben. Überall in Bayern haben Leute bei der Polizei und bei den Zeitungen angerufen, um das unerwartete Licht am Himmel zu melden. Und nicht nur Menschen haben den Fall des Meteoriten beobachtet, sondern auch die wissenschaftlichen Kameras des Europäischen Feuerkugelnetzwerks. Das ist genau für solche Situationen da: An unterschiedlichen Stationen überall in Europa beobachten Kameras Nacht für Nacht den gesamten Himmel; auf der Suche nach den Leuchtspuren von Meteoriten. Wenn mehrere Stationen die selbe Leuchtspur aufzeichnen, kann man daraus dann die genaue Flugbahn rekonstruieren. Das ist einerseits wichtig, wenn man wissen möchte, wo eventuelle Bruchstücke auf der Erde gelandet sind. Und andereseits relevant, weil man aus der Flugbahn auch rekonstruieren kann, auf welcher Bahn sich das Objekt vorher um die Sonne bewegt hat. Aber bleiben wir vorerst noch auf der Erde. Feuerkugelnetz-Stationen in Deutschland, der Tschechischen Republik und in Österreich konnten den Fall beobachten und so herausfinden, dass Bruchstücke irgendwo im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Österreich, bei Füssen und Garmisch-Partenkirchen gelandet sein müssten. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat sich dann auch gleich auf die Suche gemacht. Beziehungsweise nicht ganz gleich, denn im April ist es in den bayrischen Bergen noch kühl und überall lag Schnee. Erst im Mai waren die Bedingungen geeignet für eine Suche, die aber dann ohne Erfolg aufgegeben werden musste. Nicht aufgegeben haben Nadin Bukow und Thomas Grau. Für das Paar aus Brandenburg war die Astronomie nur ein Hobby, die Suche nach dem Meteorit haben sie aber durchaus ernst genommen und am 14. Juli 2002 waren sie erfolgreich. Knapp vor der österreichischen Grenze, an der Westflanke des Ochsenälpeleskopfs haben sie ein 1,7 Kilogramm schweres Fragment des Meteoriten entdeckt. Ein Stückchen weiter nördlich sind am 27. Mai 2003 dann zwei weitere Hobby-Meteoritensucher fündig geworden. Ihr Fragment war 1,6 Kilogramm schwer und ist ein paar Zentimeter tief im Waldboden gesteckt. Das dritte und größte Fundstück ist dann am 29. Juni 2003 entdeckt worden. Der deutsche Physiker Karl Wimmer hatte eigenen Computersimulationen durchgeführt um den wahrscheinlichsten Ort zu ermitteln und ist dann schließlich auf der österreichischen Seite der Grenze fündig geworden. Dieses Fragment hat 2,8 Kilogramm und mehr Stücke des Meteoriten hat man nicht mehr entdeckt. Und was hat man mit diesen Brocken aus dem Weltall gemacht? Zuerst einmal darum gestritten. Denn wem gehört so ein Meteorit, wenn man ihn einfach so am Boden findet? Ich will jetzt gar nicht damit anfangen, die ganzen Gesetze im Detail zu erklären, vor allem weil sich da ja auch immer wieder etwas ändert. Aber prinzipiell ist es einmal relevant, ob so ein Meteorit auf öffentlich zugänglichen oder privaten Geländen gefunden wird. Bei Neuschwanstein ist der Fund auf öffentlichen Gelände passiert und deswegen gehört der Meteorit dann nicht dem Staat allein, sondern auch zum Teil der Person, die ihn gefunden hat. Es sei denn, es handelt sich um einen Schatz, denn dann hat der Staat Anspruch darauf. Im Fall des ersten Fragments hat Bayern die Sache aber einfach durch Geld gelöst. Nadin Bukow und Thomas Grau haben Geld bekommen und Bayern den Meteoriten, der seitdem im Rieskrater-Museum in Nördlingen besichtigt werden kann. Und ein Meteorit reicht eigentlich aus, hat sich Bayern wohl gedacht, denn als dann das zweite Fragment gefunden worden ist, wollte der Freistaat kein Geld mehr dafür ausgeben. Die beiden Finder wollten ihr Stück Meteorit aber auch nicht einfach so hergeben. Also ist er dann tatsächlich in zwei Hälften geschnitten worden. Eine Hälfte ist an den Staat gegangen und die wird seitdem in der Mineralogischen Staatssammlung München erforscht. Die andere Hälfte haben die beiden Finder in noch kleinere Stücke geteilt und die dann an diverse Museen und private Sammlungen verkauft. Richtig spannend ist es dann beim größten Fragment des Meteoriten geworden. Der ist ja in Österreich gelandet, auf dem Gebiet der Gemeinde Reutte. Und die wollte das Ding auch haben! Der Finder wollte es aber nicht hergeben. Also ist die Sache vor Gericht gelandet. Das musste entscheiden, ob es sich bei dem Meteorit um einen Schatz, einen Zuwachs oder einen herrenlosen Gegenstand handelt. Ein Schatz ist es nicht, hat der Richter dann gesagt, denn ein Schatz muss längere Zeit im Verborgenen liegen, was der Meteorit nicht getan hat. Es ist auch kein Zuwachs, also sowas wie die Früchte eines Baums oder die Bäume eines Waldes, an dem die Gemeinde dann automatisch Anspruch hat. Der Meteorit ist, hat das Gericht entschieden, ein herrenloser Gegenstand, der der Person gehört, die sie findet. Das hat die Gemeinde Reutte nicht so toll gefunden, hat sich aber am Ende damit abfinden müssen, nur eine Ausgleichszahlung zu bekommen. Das größte Fragment des Meteoriten gehört weiterhin Karl Wimmer, dem Finder. Aber zumindest aus den Stücken, die der Wissenschaft zugänglich sind, hat man ein paar sehr interessante Sachen herausfinden können. Aus der Analyse der Flugbahn konnte man berechnen, auf welcher Bahn sich das Objekt zuvor um die Sonne bewegen hat müssen. Und diese Bahn ist der von zwei anderen Meteoriten ziemlich ähnlich. Einerseit dem Přibram-Meteoriten, der am 7. April 1959 in der damaligen Tschechoslowakei gefallen ist. Und andereseits dem Benešov-Meteorit, der am 7. Mai 1991 über Tschechien niedergegangen ist. Es liegt also nahe, dass alle drei Objekte Teil des selben Asteroids gewesen sind. Aber die chemischen Analysen zeigen ein anderes Bild. Neuschwanstein ist ein Entstatit-Chondrit, eine sehr seltene Gruppe von Gesteinsmeteoriten. Přibram dagegen ist ein gewöhnlicher Chondrit, ein stinknormaler Gesteinsmeteorit quasi. Und bei Benešov ist die Sache unklar, da hat man unterschiedliche Fragmente gefunden. Interessant ist auch das "Bestrahlungsalter". Ich gehe jetzt nicht auf die Details ein, aber man kann die Radioaktivität der diversen chemischen Elemente des Meteoriten messen und daraus bestimmen, wie lange der Brocken durchs All geflogen ist und dabei der kosmischen Strahlung ausgesetzt war. Bei Neuschwanstein waren das 46 Millionen Jahre, bei Přibram 17 Millionen Jahre und bei Benešov hat man keine klaren Daten bekommen können. Also haben die drei doch nichts miteinander zu tun? Vielleicht doch - denn im Jahr 2022 hat man sich das noch einmal genauer angesehen. In der Zwischenzeit ist nämlich der Asteroid 2008 TC3 auf der Erde eingeschlagen, ich hab in Folge 427 der Sternengeschichten ausführlich davon erzählt. Das war der erste Fall, wo man die Bahn des Asteroid schon kannte, bevor man wusste, dass er einschlagen wird und wo man dann auch tatsächlich Meteoriten finden konnte. Und man hat bei ihrer Analyse festgestellt, dass die Fragmente tatsächlich unterschiedliche chemische Zusammensetzungen und ein unterschiedliches Bestrahlungsalter hatten. Das passt zum Bild der "fliegenden Geröllhaufen": Wir gehen heute davon aus, dass viele Asteroiden keine massiven Gesteinsbrocken sind, sondern eher lose Ansammlungen aus großen und kleinen Fragmenten. Entstanden sind sie vielleicht durch Kollisionen von anderen Asteroiden, wo sich die Bruchstücke dann vermischt und den Geröllhaufen gebildet haben. Unterschiedliche Teile davon waren unterschiedlich lange der kosmischen Strahlung ausgesetzt und sind dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgebrochen, bevor sie sich auf den Weg zur Erde gemacht haben. Wir haben sogar ein paar Kandidaten für den Geröllhaufen, vom dem Neuschwanstein & Co stammen könnten. Vielleicht ist es der im Jahr 1987 entdeckte Asteroid Mithra. Seine Umlaufbahn passt zu den Meteoriten und wir wissen zwar noch nicht viel über den circa 1,8 Kilometer großen Brocken, aber wir wissen, dass er der Erde immer wieder mal vergleichsweise nahe kommt - und dass es sich höchstwahrscheinlich um einen contact binary handelt. Also einen Asteroid, der eigentlich aus zwei Teilen besteht, die aber nur lose Kontakt haben und nur schwach durch Gravitation aneinander gebunden sind. Also genau so eine Art fliegender Geröllhaufen, wie er zu Neuschwanstein, Přibram und Benešov passen würde. Mit letzter Sicherheit werden wir wohl erst rausfinden, wo Neuschwanstein her kommt, wenn wir eine Raumsonde zu Mithra schicken, und vor Ort nachsehen. Bis dahin müssen wir die Fragmente hier auf der Erde erforschen. Und wer mal in der Nähe von Nördlingen in Bayern vorbei kommt, kann gerne dort im Rieskrater-Museum vorbei schauen. Da gibt es nicht nur jede Menge interessante Infos über Asteroiden und Asteroideneinschläge, sondern auch das zuerst gefundene Fragment des Neuschwanstein-Meteoriten zu besichtigen. Das ist auch viel spannender als ein Schloss aus dem 19. Jahrhundert und man muss sich das Museum auch nicht mit so absurd vielen Touristen teilen……
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Sternengeschichten

1 Sternengeschichten Folge 642: Sternentriebwerke und Astro-Engineering 11:13
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Wie bewegt man einen Stern? Sternengeschichten Folge 642: Sternentriebwerke und Astro-Engineering Wenn ich heute von Astro-Engineering spreche, also quasi "Astro-Technik", dann meine ich damit nicht, dass wir jetzt irgendwelche Satelliten zusammenbasteln, Raketen bauen oder Teleskope konstruieren. Es geht tatsächlich um astronomische Vorhaben und "astronomisch" sind sowohl die Größenskalen auf denen sich das abspielt, als auch die beteiligten Objekte. Es geht um die Frage, ob wir ganze Sterne "umbauen" oder modifizieren können, um dadurch diverse Probleme zu lösen. Zum Beispiel, wenn unser Sonnensystem durch eine nahe Supernova bedroht wird und wir der ausweichen wollen: Wären wir dann in der Lage, die Sonne zu verschieben? Und die Antwort lautet natürlich: Nein! Selbstverständlich können wir das nicht! Wir haben es gerade mal geschafft, kleine Raumstationen in unmittelbarer Nähe der Erde zu bauen und noch kleinere Raumsonden zu den Planeten des Sonnensystems zu schicken. Wir sind definitiv nicht in der Lage, einen Stern zu verschieben! Aber von solchen Realitäten lässt sich die Wissenschaft ungern aufhalten. Nur weil wir etwas jetzt noch nicht können ist das ja noch lange kein Grund, nicht darüber nachzudenken, wie man es vielleicht trotzdem irgendwann mal anstellen kann. Und deswegen haben sich im Laufe der Zeit jede Menge Menschen Gedanken über genau so ein Astro-Engineering gemacht. Die einen, weil sie spannende Science-Fiction-Geschichten schreiben wollten. Und die anderen aus wissenschaftlichem Interesse. Auf jeden Fall aber wissen wir heute, wie wir es anstellen müssten, wenn wir zum Beispiel vorhaben, ein stellares Triebwerk zu bauen, also eine Maschine, mit der sich ein Stern verschieben lässt. Und wenn ich sage, wir wissen, wie man es anstellen müsste, dann meine ich nicht, dass da irgendwo fix-fertige Baupläne in der Schublade liegen. Ich meine, dass wir wissen, wie ein stellares Triebwerk funktionieren könnte, ohne dabei irgendwelche Naturgesetze zu verletzen. Wie man sowas dann konkret baut, ist wieder eine ganz andere Frage. Diese Frage ignorieren wir jetzt einfach. Und schauen uns an, was wir tatsächlich wissen. Also: Wie kann man einen Stern gezielt bewegen. Und wenn ich im folgenden sage, dass wir einen Stern bewegen oder die Sonne bewegen, dann meine ich immer auch gleichzeitig, dass wir damit das ganze Sonnensystem bewegen. Die Erde und die restlichen Planeten sind durch die Gravitationskraft an die Sonne gebunden und folgen ihr, wohin auch immer sie sich bewegt. Aus unserer Sicht von der Erde aus, spüren wir nichts von der Bewegung der Sonne, so wie wir ja auch jetzt nichts davon spüren, dass sich die Sonne mit gut 200 Kilometer pro Sekunde um das Zentrum der Milchstraße bewegt. Also: Wie bewegen wir die Sonne und damit das ganze Sonnensystem? Im Prinzip gilt hier das, was auch bei allen anderen Antriebsarten gilt, die wir im Weltraum benutzen, nämlich die Newtonschen Bewegungsgesetze. Sehr vereinfacht gesagt: Wenn ich irgendwas in die eine Richtung werfe, bewege ich mich dadurch in die andere Richtung. So funktioniert ja auch ein Raketenantrieb: Treibstoff wird verbrannt und die entstehende Abgase ausgestoßen. Das Resultat: Die Rakete bewegt sich in die andere Richtung. Mit einem Stern können wir so etwas ähnliches anstellen und sogar auf unterschiedliche Weise. Stellen wir uns dazu zuerst einen riesigen Spiegel vor. Einen wirklich riesigen Spiegel, größer als die Sonne selbst. Diesen Spiegel positionieren wir jetzt auf eine bestimmte Weise im All. Auf so einen Spiegel wirken nämlich zwei unterschiedliche Kräfte: Einerseits die Gravitationskraft der Sonne, die den Spiegel anzieht. Und andererseits auch der Strahlunsdruck. Das ist die Kraft, die durch die Lichtteilchen der Sonne übermittelt wird. Licht hat zwar keine Masse, aber einen Impuls. Wenn Licht irgendwo auftrifft dann wird dadurch eine Kraft übertragen. Die ist normalerweise klein, aber wenn man es mit so enorm viel Licht zu tun hat, wie es von der Sonne kommt, dann ist diese Kraft durchaus relevant. Ich habe mehr darüber in Folge 507 erzählt, als es um das Sonnensegel ging. Der Strahlungsdruck der Sonne schiebt den Spiegel also weg, die Gravitationskraft der Sonne zieht ihn an. Und wenn wir den Spiegel richtig positionieren, halten sich beide Kräfte die Waage und er bleibt ganz von selbst dort, wo er ist. Was passiert dann? Die Sonne leuchtet weiter wie bisher. Sie schickt ihr Licht in alle Richtungen. Aber in der einen Richtung steht jetzt eben dieser riesige Spiegel und reflektiert dieses Licht zurück in die andere Richtung. Oder anders gesagt: Durch den Spiegel wird die Abstrahlung der Sonne asymmetrisch und damit auch der Strahlungsdruck. Oder noch einmal anders gesagt: Wir haben die selbe Situation wie bei einem Raketenantrieb, nur das es hier keine heißen Abgase sind, die den Schub verursachen, sondern die Strahlung der Sonne. Durch den Spiegel strahlt die Sonne nicht mehr in alle Raumrichtungen sondern nur noch in eine und bewegt sich dadurch selbst in die andere. Und der Spiegel folgt dieser Bewegung, wir haben ihn ja vorher extra so eingerichtet, dass sich Gravitationskraft und Strahlungsdruck immer die Waage halten müssen. Natürlich gibt es bei der Sache ein paar Komplikationen. Wir müssen zuerst einmal dafür sorgen, dass die vom Spiegel reflektierte Strahlung nicht komplett auf die Sonne zurück fällt. Das würde unseren Stern aufheizen und die Leuchtkraft der Sonne würde sich erhöhen, was unter Umständen unangenehm für uns auf der Erde wäre. Und dann müssen wir auch aufpassen, dass der Spiegel das Sonnenlicht nicht auf die Erde selbst reflektiert, das wäre ebenfalls ungut für uns. Das heißt, wir müssen den Spiegel über der Ebene des Sonnensystems positionieren, also über einen der Pole der Sonne. Das schränkt dann aber natürlich auch wieder die Richtungen ein, in die wir mit dieser Art von Antrieb fliegen können. Und recht schnell ist der Antrieb auch nicht. Nach der ersten Million Jahre wären wir damit gerade einmal drei Zehntel Lichtjahre weit gekommen. Aber nach einer Milliarde Jahre hätten wir dann immerhin schon mehr als 30.000 Lichtjahre hinter uns gebracht. So ein Shkadov-Triebwerk, benannt nach dem russischen Wissenschaftler Leonid Shkadov, ist also vielleicht nicht unbedingt die beste Möglichkeit, um schnell ausweichen zu können, wenn sich da irgendwo eine böse Supernova oder ein anderes Hindernis in unseren Weg stellt. Es gibt aber natürlich andere Möglichkeiten: Man könnte ja einfach auch die ganze Sonne in eine Kugel hüllen, deren Innenseite verspiegelt ist. Dann könnten wir die ganze Energie der Sonne einfangen und damit irgendeine Art von Antrieb nutzen. Ich habe in früheren Folgen der Sternengeschichten immer wieder Mal über solche "Dyson-Sphären" gesprochen, also Konstruktionen, bei denen eine Kugelschale um die Sonne gebaut wird. Das Problem daran ist aber, dass solche Dyson-Sphären nicht stabil sind und enorm viel Baumaterial benötigen, für das wir vorher vermutlich ein paar Planeten auseinander nehmen müssten. Und das waren bei weitem nicht die einzigen Probleme. Dyson-Sphären sind deutlich mehr Science-Fiction als es die Shkadov-Triebwerke sind, also werde ich sie in dieser Folge nicht weiter behandeln. Aber es gibt noch eine weitere interessante Möglichkeit, die auf der Science-Fiction-Skala irgendwo zwischen Shkadov und Dyson liegt. Die Idee stammt vom amerikanischen Astronom Matthew Caplan und funktioniert so: Die Sonne schickt ja nicht nur Licht ins All, sondern auch den Sonnenwind, also Teilchen aus ihren äußeren Schichten. Dabei handelt es sich um Wasserstoff- und Heliumatome und die könnten wir einsammeln. Dazu brauchen wir irgendeine Maschine in der Nähe der Sonne, die das Zeug - vermutlich mit starken Magnetfelder - sammelt. Das Helium könnten wir dann in einem Fusionskraftwerk zu Sauerstoffatomen fusionieren. Und wir nehmen deswegen das Helium und nicht den Wasserstoff für die Fusion, weil die Energie und Temperaturen, die bei der Heliumfusion entstehen, deutlich höher sind. Wir können den entstandenen Sauerstoff also deutlich schneller ausstoßen und Sauerstoffatome haben auch eine größere Masse als die Heliumatome, die wir bei der Wasserstofffusion kriegen würden. Und je größer die Masse von dem ist, was wir ausstoßen und je schneller wir das tun, desto stärker ist die Kraft, die uns antreibt. Also: Deswegen fusionieren wir das Helium aber wir sind noch nicht fertig. Wir müssen ja irgendwie auch die Sonne bewegen. Im Gegensatz zum Shkadov-Antrieb ziehen wir jetzt aber nicht an ihr, sondern schieben sie. Das heißt, der Strahl aus fusioniertem Sauerstoff ist von der Sonne weg gerichtet. Und damit unser Antrieb nicht sofort mit der Sonne kollidiert, brauchen wir noch eine weitere Komponente. Wir nehmen den Wasserstoff, den wir ja auch eingesammelt haben, beschleunigen die Atome sehr stark und schicken einen Wasserstoffstrahl von der Maschine auf die Sonnenoberfläche, der sie daran hindert, mit ihr zu kollidieren. Zusammengefasst haben wir jetzt also ein Ding, das Material von der Sonne sammelt, in der einen Richtung Sauerstoff ausstösst und Wasserstoff in die andere und so in der Lage ist, die Sonne durch die Gegend zu schieben. Allerdings nur, wenn es auch genug Sonnenwind sammeln kann und das, was die Sonne von selbst abgibt, reicht dafür bei weitem nicht. Wir müssen also noch einen Ring aus Spiegeln konstruieren, die wir um die Sonne herum positionieren. Sie werfen die Sonnenenergie auf die Sonne zurück, heizen sie dadurch auf und erzeugen mehr Sonnenwind, als die Sonne von selbst produzieren würde. Das ist alles deutlich aufwendiger als der simple Spiegel beim Shkadov-Antrieb. Aber dafür würde man mit so einem Caplan-Antrieb nach einer Million Jahre schon 33 Lichtjahre zurück gelegt haben, also über 1000 mal mehr als beim Shkadov-Antrieb. Wie gesagt: All diese stellaren Triebwerke sind nicht unmöglich. Nichts davon widerspricht den Naturgesetzen und theoretisch könnten wir so etwas bauen. Praktisch natürlich nicht, weil wir keine Ahnung haben, wie wir solche gewaltigen Maschinen konstruieren können, wo wir das Material dafür her kriegen sollen, und so weiter. Aber wer weiß, wie sich die Welt entwickelt. Vielleicht schaffen wir es in ferner Zukunft ja vielleicht doch, die Sonne gezielt zu bewegen. Dann könnten wir durch die Milchstraße reisen, ohne die Erde verlassen zu müssen. Und die Erde ist immerhin das einzige Raumschiff, auf dem alle Menschen mitfliegen können.…
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1 Sternengeschichten Folge 641: W44 - Die Supernova und das flüchtende schwarze Loch 9:46
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Seltsames Gas und unsichtbare Explosionen Sternengeschichten Folge 641: W44 - Die Supernova und das flüchtende schwarze Loch Am 31. Dezember 1958 hat der niederländische Astronom Gart Westerhout die Ergebnisse seiner Beobachtungen mit dem Dwingeloo-Radioteleskop veröffentlicht, dass damals mit einem Durchmesser von 25 Metern das größte der Welt war. Er hat damit unter anderem die Gegend um den galaktischen Äquator abgesucht und dabei im Sternbild Adler einen Supernova-Überrest entdeckt. Das ist, wenig überraschend, dass, was übrig bleibt, wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens bei einer Supernova explodiert. Also jede Menge Gas, das sich mit hoher Geschwindigkeit in alle Richtungen ausbreitet. Damals war es nur ein Eintrag in einem Katalog, mit der Bezeichnung W44. Heute ist der Supernova-Überrest W44 Thema jeder Menge wissenschaftlicher Arbeiten und ein einzigartiges Forschungsobjekt, das uns vielleicht zeigt, wie man das Unsichtbare in der Milchstraße entdecken kann. Fangen wir mit den Grundlagen an. W44 ist um die 10.000 Lichtjahre von uns entfernt. Der Supernova-Überrest ist zwischen 17.000 und 20.000 Jahren alt; vielleicht auch älter, das lässt sich leider nicht so genau sagen. Das erste, was W44 besonders macht, ist seine Umgebung. Der Supernovaüberrest befindet sich direkt in einer Molekülwolke. Das sind die riesigen Wolken aus Gas und Staub die sich überall zwischen den Sternen befinden und aus denen neue Sterne entstehen können. Normalerweise sind Supernovaüberreste halbwegs symmetrisch, weil das Gas aus den äußeren Schichten des explodierenden Sterns in alle Richtungen davon geschleudert wird. Bei W44 ist das nicht so. In der nordwestlichen Region sieht man die charakteristischen Gasströme eines Supernovaüberrestes. In der südöstlichen Ecke dagegen stoßen diese Gase auf das Gas der Molekülwolke. So eine Wechselwirkung zwischen Supernova und Molekülwolke kann man nur ganz selten beobachten und alleine das macht W44 schon besonders und genau deswegen wird so intensiv daran geforscht. Unter anderem hat das auch der japanische Astronom Masaya Yamada von der Keio Universität mit seinem Team gemacht. Sie wollten herausfinden, wie viel Energie von der Supernova-Explosion auf das Gas der Molelekülwolke übertragen wird, unter anderem deswegen, weil diese Energie natürlich dort die Entstehung neuer Sterne anregen kann. Entdeckt haben sie aber etwas ganz anderes mit dem sie überhaupt nicht gerechnet haben. Wenn man herausfinden will, wie viel Energie von der Supernova auf die Molekülwolke übertragen wird, muss man messen, wie sich das Gas bewegt und vor allem wie schnell sich das Gas bewegt. Dabei haben Yamada und sein Team eine Region entdeckt, wo sich das Gas enorm schnell bewegt. Es war mit über 100 Kilometer pro Sekunde unterwegs, was deutlich schneller ist, als sich Gas dort bewegen sollte. Dieser Bereich aus schnellem Gas ist ungefähr 2 Lichtjahre groß und sehr lang gestreckt. Es sieht aus wie ein Finger aus Gas, der sich aus der Wolke nach außen streckt. Die Spitze dieses Fingers ist dabei am schnellsten unterwegs, mit circa 120 Kilometer pro Sekunde, der Rest ist langsamer. Die Energie, die nötig ist, um diese Gasmassen so stark zu beschleunigen, ist ein paar Dutzend Mal größer als alles, was die Supernova liefern hätte können. Was also passiert dort? Was treibt das Gas mit dieser enormen Geschwindigkeit durchs All? Yamada und sein Team habe zwei Möglichkeiten vorgeschlagen. Die erste haben sie das "Explosionsmodell" genannt. Es fängt alles ganz normal an, mit dem explodierenden Stern, der seine Gasschichten hinaus ins All schleudert. Wenn dann auf einmal hinter so einer Gasschicht noch eine Explosion stattfindet, könnte die dafür sorgen, dass ein Teil des Gases noch stärker beschleunigt wird und sich Finger ausbildet, wie der, den man beobachtet hat. Nur: Was soll da explodieren? Eine Möglichkeit wäre eine zweite Supernova, die unabhängig von der ersten stattgefunden hat. Die Chancen, das in einer vergleichsweise kleinen Region des Weltalls zwei Sterne so kurz hintereinander explodieren, sind zwar gering. Aber unmöglich ist es nicht. Genauso wie eine andere Ursache für die Explosion. Vielleicht ist es auch so gelaufen: Der ursprüngliche Stern explodiert und schleudert sein Gas in alle Richtungen, soweit ist alles wie vorhin. Dann aber trifft dieses Gas auf ein Hindernis, nämlich ein schwarzes Loch. Das Gas, das in der Nähe dieses schwarzen Lochs vorbei strömt, wird davon angezogen, wirbelt enorm schnell herum und bildet eine Scheibe um das Loch. Dabei wird sehr viel Strahlung frei, die den Rest der ursprünglichen Gasschichten wie eine Explosion antreibt. Man kann sich das schwarze Loch wie eine Art Tretmine vorstellen. Das schwarze Loch ist irgendwann sehr viel früher entstanden, aus einem noch viel größeren Stern, der am Ende seines Lebens ebenfalls explodiert und dann kollabiert ist. Das ist aber schon so lange her, dass man hier keine Supernovaüberreste mehr erkennen kann; das ganze Gas ist weg und das schwarze Loch liegt unsichtbar für den Rest der Welt herum. Dann aber kommt vor ein paar zehntausend Jahren die jüngere Supernova und schleudert ihr Gas durch die Gegend. Es strömt in alle Richtung, ein Teil davon trifft auf das schwarze Loch, dass dadurch quasi aktiviert wird. Das Loch beschleunigt das Gas stark, bevor es verschluckt wird und dabei wird enorm viel Strahlung frei. Oder anders gesagt: Die Mine wird aktiviert, sie explodiert und treibt den Rest des Gases voran. Das ist schon recht spektakulär, was aber auch für das zweite Modell gilt, das "Schuß-Modell". Es könnte auch sein, dass sich von irgendwo anders her im Weltall ein sehr dichtes, sehr schnelles Objekt auf den Supernovaüberrest und die Wolke zubewegt hat. Das wirkt dann quasi so wie eine Pistolenkugel, die in die Gasmassen hinein geschossen wird und wenn diese Kugel schnell genug unterwegs ist, kann sie Gas mit sich reißen und so die beobachtete Fingerstruktur bilden. In der Spitze des 2 Lichtjahre langen Gasfingers würde sich in diesem Modell immer noch das dichte, schnelle Objekt befinden, das bei seinem Flug das Gas mit sich nimmt. Und was für ein dichtes, schnelles Objekt könnte das sein? Das ist das spannende an der Sache: Auch hier kommt eigentlich nur ein schwarzes Loch in Frage. Beide Modelle zur Erklärung der seltsamen Gasfinger-Struktur benötigen ein schwarzes Loch. Im ersten Fall, beim Explosionsmodell ist es ein recht kleines schwarzes Loch, das nur circa 3,5 Mal so viel Masse wie unsere Sonne hat. Bei Schuß-Modell muss es mehr sein; da braucht man um die 36 Sonnenmassen. Was es genau ist, kann man nur durch genauere Beobachtungen herausfinden. Der eigentlich wichtige Punkt aber ist: W44 hat uns vielleicht einen Weg geöffnet, wie man ansonsten unsichtbare schwarze Löcher entdecken kann. Wir wissen, dass es jede Menge davon in der Milchstraße geben muss. Alle ausreichend große Sterne werden zu schwarzen Löchern, wenn sie nicht mehr genug Material für die Kernfusion haben. Aber schwarze Löcher kann man eben nicht sehen. Man sieht nur ihre Auswirkungen auf ihre Umgebung, zum Beispiel wenn da irgendwo Gas oder anderes Material ist, dann in sie fällt und davor noch jede Menge Strahlung abgibt. Wir können die Anwesenheit eines schwarzen Lochs auch bemerken, wenn es Teil eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems ist oder sich vergleichsweise nahe an anderen Sternen vorbei bewegt. Dann sehen wir den Einfluss der Gravitationskraft des schwarzen Lochs auf die Sterne und können auf seine Anwesenheit schließen. Ein isoliertes schwarzes Loch, das sich allein irgendwo im Weltall befindet, können wir allerdings nicht sehen. Aber, das hat uns die Erforschung von W44 gezeigt, wenn wir uns die Molekülewolken und Supernovaüberreste genau anschauen und nach Gas suchen, dass sich schneller bewegt, als es sollte: Dann haben wir eine Chance, den schwarzen Löchern auf die Spur zu kommen.…
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1 Sternengeschichten Folge 640: Besteht das Universum aus Mathematik? 10:03
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Die Theorie des mathematischen Universums Sternengeschichten Folge 640: Besteht das Universum aus Mathematik? Ich habe in den Sternengeschichten immer wieder über Mathematik geredet. Denn man braucht die Mathematik, wenn man die Welt verstehen will. Das, was in der Natur passiert, lässt sich durch mathematische Regeln und Gesetz beschreiben. Oder, wie es der Physiker Galileo Galilei im 17. Jahrhundert etwas poetischer ausgedrückt hat: "Die Philosophie ist geschrieben in jenem grossen Buche, das immer vor unseren Augen liegt; aber wir können es nicht verstehen, wenn wir nicht zuerst die Sprache und die Zeichen lernen, in denen es geschrieben ist. Diese Sprache ist Mathematik, und die Zeichen sind Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren, ohne die es dem Menschen unmöglich ist, ein einziges Wort davon zu verstehen; ohne diese irrt man in einem dunklen Labyrinth herum.". Und im 20. Jahrhundert hat der Quantenphysiker Eugene Wigner sogar gesagt: "Die enorme Nützlichkeit der Mathematik für die Naturwissenschaften ist etwas, das an ein Geheimnis grenzt und für das es keine vernünftige Erklärung gibt. Es ist ganz und gar nicht natürlich, dass 'Gesetze der Natur' existieren, und noch weniger, das der Mensch in der Lage ist, sie zu erkennen." Und damit hat Wigner auch irgendwie recht. Es ist höchst erstaunlich, dass die Mathematik so gut darin ist, das zu beschreiben, was da draußen im Universum passiert. Und nicht nur das: Mit der mathematischen Beschreibung der Welt können wir sogar Vorhersagen treffen und Dinge entdecken, von denen wir vorher nichts wussten. Als Albert Einstein zum Beispiel die mathematische Beschreibung seiner allgemeinen Relativitätstheorie entwickelt hat, hat er noch nichts von schwarzen Löchern gewusst. Aber wenn man seine Gleichungen auf eine bestimmte Weise löst, dann bekommt man als Ergebnis die mathematischen Gleichungen, die ein Objekt beschreiben, das sich wie ein schwarzes Loch verhält. Einstein hat das interessant gefunden, aber nicht als real angesehen. Sondern halt einfach nur als etwas, das mathematisch in den Gleichungen steckt, deswegen aber noch lange nicht im echten Universum existieren muss. Erst später hat man dann tatsächlich echte schwarze Löcher da draußen im Kosmos entdeckt. Wir wissen also seit langem, dass die Mathematik enorm effektiv ist, um das Universum zu beschreiben und zu verstehen. Wir wissen aber immer noch nicht, warum das so ist. Eine sehr radikale Antwort auf diese letzte Frage könnte lauten: Das Universum ist deswegen so gut mathematisch beschreibar, weil es in Wahrheit Mathematik IST. Das klingt komisch und unverständlich. Und es wird leider auch bei näherer Betrachtung nicht weniger komisch und unverständlich. Dass unser Universum quasi aus Mathematik besteht ist die Kernaussage der Theorie des Mathematischen Universums, die der schwedisch-amerikanische Kosmologie Max Tegmark im Jahr 2008 entwickelt hat. Tegmark behauptet darin, dass die Mathematik nicht nur ein Modell ist, um Dinge und Phänomene in der Welt zu beschreiben. Sondern die Dinge und Phänomene, inklusive des Univerums, SIND mathematische Strukturen. Oder etwas anders gesagt: Mathematische Konstrukte sind keine abstrakten Beschreibungen, sondern existieren tatsächlich, unabhängig von uns Menschen. Vereinfacht gesagt: Ein Kreis ist nicht einfach nur ein mathematisches Objekt, definiert als Menge aller Punkte in einer Ebene, die alle exakt den selben Abstand von einem Mittelpunkt haben. Sondern ein Kreis IST EIN KREIS und existiert, egal ob wir da sind, um zu definieren was ein Kreis ist oder nicht. Laut Tegmark ist das Universum nichts, was durch Mathematik beschrieben werden kann, sondern ist selbst eine mathematische Struktur. Wenn etwas mathematisch existiert, also konfliktfrei und logisch konsistent mathematisch beschrieben werden kann, dann existiert es auch in echt. Mathematische Existenz ist gleich physikalische Existenz. Wie soll man sich das vorstellen? Am besten gar nicht… Aber laut Tegmark ist es auch nicht so einfach, sich das vorzustellen, weil wir ja mitten drin sind und selbst auch nur mathematische Strukturen. Unser Universum ist eine so komplexe mathematische Struktur, dass es "selbstbewusste Unterstrukturen" enthält, die sich selbst so wahrnehmen, als würden sie in einer echten, physikalischen Welt leben. Das klingt alles ziemlich verrückt. Meiner persönlichen Meinung nach ist es auch ziemlich verrückt. Aber in der Wissenschaftsphilosophie und Kosmologie gibt es diverse Leute, die Tegmarks Thesen ernsthaft diskutieren. Tegmark behauptet, dass sein mathematisches Universum jede Menge Probleme lösen kann und nicht nur erklärt, warum Mathematik so gut darin ist, das Universum zu beschreiben. Wir müssen uns dann auch nicht mehr fragen, warum das Universum so ist, wie es ist. Ich habe ja schon in Folge 423 über die Feinabstimmung des Universums gesprochen, also über die Frage, warum das Universum so aussieht, wie es aussieht und warum es so aussieht, als wäre das alles grad irgendwie passend für uns Menschen. Das ist in Tegmarks Universum keine sinnvolle Frage mehr, denn das mathematische Universum ist auch ein Multiversum. Weil alles existiert, was mathematisch existiert, existieren natürlich unzählige unterschiedliche mathematische Strukturen mit allen möglichen Eigenschaften und unser Universum ist nur eine davon und halt gerade die, die sie ist. Ich bleibe immer noch dabei, dass das alles sehr verrückt ist. Denn auch wenn es natürlich spannend ist, auf diese Weise über das Universum nachzudenken, liefert es auf viele Fragen keine Antworten. Zum Beispiel die Frage nach dem Ursprung. Mathematische Strukturen sind zeitlos; es macht zum Beispiel keinen Sinn zu fragen, wann die Zahl Pi entstanden ist oder wann es das erste Dreieck gegeben hat. Mathematische Strukturen haben keinen Anfang und kein Ende und das gilt dann in Tegmarks Theorie logischerweise auch für das Universum selbst. Das Universum existiert, weil es mathematisch möglich ist, dass es existiert. Das kann man für eine befriedigende Antwort halten, aber man muss es nicht tun… Und sieht man einmal davon ab, dass Tegmarks Theorie das Konzept von "Existenz" nicht klar beschreibt und genau so wenig Antworten auf die Fragen nach dem Ursprung liefert, wie andere Theorien, haben wir auch mit der Zeit ein Problem. Wenn das ganze Universum und wir auch nur mathematische Strukturen sind, also einfach nur eine Sammlung von mathematischen Objekten und Gesetzen, wieso erleben wir dann Zeit und Veränderung? Und wenn die ganze Sache mit dem mathematischen Universum mehr sein soll, als nur ein mehr oder weniger sinnvolles Gedankenspiel, dann muss die Theorie auch irgendwie überprüft oder falsifiziert werden können. Tegmark behauptet, dass das möglich ist. Wir könnten uns zum Beispiel Naturkonstanten wie die Feinstrukturkonstante anschauen. Die gibt, vereinfacht gesagt, an, wie stark die elektromagnetische Kraft ist und damit auch, welche Arten von Teilchen und Atomen existieren können, wie sie wechselwirken, und so weiter. Wenn sie nicht den Wert hätte, den sie hat, dann gäbe es keine stabile Materie und keine Sterne, keine Planeten, keine Menschen, und so weiter. Tegmark sagt jetzt, dass wir nur alle möglichen mathematischen Strukturen anschauen müssen, also quasi alle Universen in diesem mathematischen Multiversum. Und dann schauen, welchen Wert die Feinstrukturkonstante jeweils dort hat. Wenn es das mathematische Multiversum tatsächlich gibt, dann ist es wahrscheinlich, dass wir in einem typischen Universum leben und nicht in einem enorm speziellen - "unser" Wert der Feinstrukturkonstante sollte also nicht zu weit von dem der anderen Universum abweichen. Ok. Abgesehen davon, dass es alles andere als einfach ist, mal eben die Naturkonstanten aller mathematisch möglichen Universen zu berechnen, kann man auch anderer Ansicht sein, was die Wahrscheinlichkeiten angeht. Warum sollen wir nicht in einem untypischen Universum leben? Aber das ist halt Philosophie… ich will definitiv nicht behaupten, dass das alles Quatsch ist. Philosophie ist durchaus ein wichtiger Weg, die Welt zu betrachten und zu verstehen. Aber in diesem Fall braucht es mehr als nur ein paar interessante Ideen. Das mathematische Universum erscheint genau dann als sinnvolle Idee zur Beschreibung des Universums, wenn man es als sinnvolle Idee zur Beschreibung des Universums betrachten will. Ist das nicht der Fall, dann ist es nicht mehr als einfach nur eine Idee. Die Mathematik ist zuallererst einmal sich selbst genug. Sie muss die reale Welt nicht beschreiben, aber sie tut es in vielen Fällen. Tegmark hat die Sache mit dem mathematischen Universum natürlich noch sehr viel ausführlicher beschrieben, als ich das in dieser Folge dargestellt habe; er hat sogar ein ganzes Buch darüber geschrieben. Aber das ändert nichts daran, dass wir die Sache nicht überprüfen können und dass sie genaugenommen nicht überprüfbar IST. Man kann gerne daran glauben, dass alles Mathematik ist, aber das muss man eben glauben. Und wenn man etwas glauben muss, kann es kein Wissen sein.…
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1 Sternengeschichten Folge 639: Wie berechnet man die Wahrscheinlichkeit für einen Asteroideneinschlag? 10:37
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Die Mathematik des Weltuntergangs Sternengeschichten Folge 639: Wie berechnet man die Wahrscheinlichkeit für einen Asteroideneinschlag? Asteroideneinschläge waren schon oft Thema in den Sternengeschichten. Ich habe davon erzählt, was passiert, wenn ein Asteroid auf der Erde einschlägt, ich habe ausführlich darüber gesprochen, wie man solche Katastrophen verhindern kann und über die Asteroiden selbst natürlich auch. Aber ich habe noch nicht davon erzählt, wie man eigentlich herausfindet, ob ein Asteroid mit der Erde kollidieren wird oder nicht. Das klingt jetzt eigentlich nicht schwer, oder? Man findet einen Asteroid, bestimmt seine Umlaufbahn und wenn die die Umlaufbahn der Erde kreuzt, dann kracht es irgendwann. Und das ist zwar einerseits richtig, andererseits aber auch nicht, denn sonst wären wir mit dieser Folge jetzt auch schon wieder durch. Was auf jeden Fall reine Fantasie ist, ist das, was man in vielen Hollywoodfilmen zu Asteroideneinschlägen sehen kann. Da schaut ja meistens irgendwer durch ein Teleskop, sieht einen Asteroid, tippt ein wenig auf dem Computer rum und stellt dann sofort erschrocken fest: Es wird einen Einschlag geben (und meistens ist dann auch sofort klar, wo genau der Asteroid einschlagen wird, nämlich natürlich irgendwo in den USA). In der Realität läuft das ganz anders. Da wissen wir eigentlich nie mit absoluter Sicherheit, dass ein Asteroid mit der Erde kollidieren wird. Sondern können nur eine bestimmte Kollisionswahrscheinlichkeit angeben. Aber warum eigentlich? So ein Asteroid ist ja kein Auto, dass plötzlich auf einem Ölfleck im Weltall ins Schleudern kommt und in die Erde kracht. Oder sich in der Kurve versteuert und aus der Umlaufbahn getragen wird. Ein Asteroid bewegt sich im wesentlichen aufgrund der Gravitationskräfte die auf ihn wirken und die können wir ja sehr gut und sehr genau berechnen. Wir sollten doch wissen, wo sich der Asteroid bewegt und feststellen können, ob er jetzt mit uns kollidieren wird oder nicht. Wieso können wir das nicht sicher sagen? Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Natürlich können wir die Gravitationskräfte sehr genau berechnen. Aber eben nicht beliebig genau. Die hängen einerseits von den Positionen und Massen der relevanten Himmelskörpern ab, also vor einmal den Planeten und der Sonne. Aber auch den größeren Asteroiden, den Monden und was da sonst noch so im Sonnensystem rumschwirrt. Und andererseits von der Position und Masse des potenziell gefährlichen Asteroiden selbst. Wir wissen zwar sehr gut, wie schwer die Planeten und die Sonne sind und wo sie sich bewegen; die haben wir ja schon lange genug beobachtet. Das selbe gilt für die Monde und die großen Asteroiden. Aber wir können nicht ALLE Himmelskörper im Sonnensystem in unseren Berechnungen berücksichtigen, das sind einfach zu viele. Und auch wenn der Einfluss zum Beispiel der Asteroiden gering ist, verglichen mit dem der Planeten und der Sonne, ist er doch vorhanden. Das heißt, wir machen in unseren Berechnungen zwangsläufig einen Fehler, wenn wir nicht alle vorhandenen Objekte berücksichtigen, sondern nur ein paar. Viel größer ist aber der Fehler, der in unseren Berechnungen entsteht, weil wir die Position des gefährlichen Asteroiden selbst nicht genau bestimmen können. Jede Beobachtung die wir machen, ist immer fehlerhaft. Oder besser gesagt: Sie ist nicht fehlerhaft, aber sie ist mit Messungenauigkeiten behaftet, weil unsere Teleskope und Messinstrumente nicht perfekt sind und nie perfekt sein können. Wir wissen also nicht exakt, wie die Bahn des Asteroiden aussieht, wir wissen es nur innerhalb gewisser Grenzen. Und damit sind wir jetzt beim eigentlichen Thema dieser Folge: Der Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit. Das erste, was uns interessiert, wenn wir die Gefahr eines Asteroideneinschlags einschätzen wollen, ist die sogenannte "Minimum Orbit Intersection Distance" oder kurz MOID. Dazu sieht man sich die Umlaufbahn der Erde an und die Umlaufbahn des Asteroiden. Dann sucht man die Punkte auf den beiden Bahnen, die einander am nächsten liegen und der Abstand zwischen diesen beiden Punkten ist die Minimum Orbit Intersection Distance. Auch hier kann man natürlich kein exaktes Ergebnis finden, weil ja, wie ich gerade erklärt habe, die Umlaufbahn des Asteroiden nur innerhalb gewisser Grenzen bekannt ist. Aber die MOID gibt schon mal gewisse Anhaltspunkte, wie groß die Gefahr ist. Wenn der Abstand zwischen den einander nächstgelegenen Punkten der Umlaufbahnen sehr groß ist, dann muss man sich eher weniger Sorgen machen. Ist er dagegen klein, sollte man genauer hinsehen. Und wenn der Abstand gleich Null ist, die Umlaufbahnen von Erde und Asteroid einander also direkt kreuzen, dann ist die Kollision sicher? Nein! Denn eine Kollision gibt es ja nur dann, wenn der Asteroid und die Erde zur selben Zeit am selben Ort sind. Theoretisch können sie sich auch auf kreuzenden Umlaufbahnen kollisionsfrei bewegen, wenn sie sich dabei nie treffen. Wir müssen also nicht nur die Umlaufbahn des Asteroiden sehr genau kennen, wir müssen auch noch sehr genau wissen, wo entlang seiner Bahn sich der Asteroid zu jedem bestimmten Zeitpunkt befindet. Und das macht alles sehr kompliziert. Das grundlegende Prinzip ist aber eigentlich sehr simpel. Stellen wir uns so einen potenziell gefährlichen Asteroid vor, wie er da irgendwo im Weltall schwebt. Wir wissen, dass er da ist, wir wissen auch halbwegs genau, wo er ist. Aber wir wissen es eben nicht exakt. Wir können - etwas vereinfacht gesagt - nur sagen, dass er sich innerhalb eines gewissen Bereichs des Weltraums befindet. Wir könnten jetzt mit unserem Wissen über die Gravitationskräfte einfach ausrechnen, wo sich dieser Asteroid in Zukunft befinden wird und natürlich auch berechnen, wo sich die Erde in Zukunft hinbewegen wird. Und dann schauen wir einfach, ob sie zusammenstoßen oder nicht. Und genau das macht man auch. Aber wenn man das so macht, dann werden wir eben kein eindeutiges Ergebnis kriegen, weil wir eben nicht genau wissen, wo der Asteroid ist. Deswegen macht man in der Praxis etwas anderes: Wir füllen den ganzen Raum, in dem der Asteroid sich befinden könnte, mit jeder Menge Kopien des Asteroiden. Sagen wir, 1000 Stück. Und dann berechnen wir für alle 1000 Asteroiden, wohin sie sich in Zukunft bewegen werden und ob sie mit der Erde kollidieren. Wenn alle 1000 an der Erde vorbei fliegen, müssen wir uns keine Sorgen machen. Denn das bedeutet, dass unsere Beobachtungsfehler keine Rolle spielen. Wir wissen zwar nicht, wo genau der Asteroid ist, aber von jeder möglichen Position aus, die er haben kann, wird er die Erde verfehlen: Er wird uns also mit Sicherheit verfehlen. Wenn alle 1000 Asteroiden die Erde treffen, ist die Situation zwar katastrophaler, aber zumindest ebenso klar. Von allen möglichen Positionen aus wird der Asteroid mit uns zusammenstoßen und eine Kollision wird mit Sicherheit stattfinden. In der Realität werden aber ein paar der 1000 Asteroiden mit der Erde kollidieren und ein paar nicht. Wenn jetzt zum Beispiel 250 von den 1000 die Erde treffen, dann bedeutet dass, dass es eine Kollisionwahrscheinlichkeit von 25 Prozent gibt. Wir können uns die Sache auch noch auf andere Weise vorstellen. Wir wissen nicht, an welchen Punkt sich der Asteroid exakt befindet. Und können daher, ausgehend von diesem Punkt, auch keine exakte Linie zeichnen, die seine Umlaufbahn angibt. Wir kennen nur einen Bereich, in dem sich der Asteroid befinden muss und die Umlaufbahn, die wir zeichnen können, ist keine Linie, sondern eher ein Schlauch, der sich um die Sonne windet. Irgendwo innerhalb dieses Schlauchs wird sich der Asteroid bewegen, wir wissen aber nicht, wo genau. Wenn sich auch die Erde in diesem Schlauch befindet, dann könnte es eine Kollision geben und die Kollisionswahrscheinlichkeit entspricht dem Verhältnis der Querschnittsflächen von Schlauch und Erde. Oder anders gesagt: Ist der Schlauch sehr groß, dann nimmt die Erde darin nur wenig Platz ein und die Wahrscheinlichkeit, dass sie getroffen wird, ist gering. Ist der Schlauch aber sehr dünn und befindet sich die Erde in diesem dünnen Schlauch, dann nimmt sie darin viel Raum ein und die Kollisionswahrscheinlichkeit ist groß. Am Ende ist das aber alles irgendwie unbefriedigend. Wir wollen ja sicher wissen, ob es eine Kollision gibt oder nicht, damit wir wissen, ob wir vielleicht etwas unternehmen müssen. Eine Kollisionswahrscheinlichkeit ist zwar interessant, aber wir wollen Sicherheit, keine Wahrscheinlichkeit. Der einzige Weg, das zu erreichen, sind mehr Beobachtungen. Vor allem aber Beobachtungen über einen möglichst langen Zeitraum. Je länger wir den Weg des Asteroiden verfolgen und vermessen, desto genauer können wir seine Bahn berechnen und desto dünner wird der Schlauch. Und wenn wir Glück haben, ist der Schlauch irgendwann so dünn, dass die Erde sich außerhalb befindet. Wenn wir Pech haben, wird der Schlauch dünner als die Erde und führt mitten durch sie durch: Dann gibt es eine Kollision. Wenn man sich diese ganzen Berechnungen klar macht, dann versteht man übrigens auch, warum die Kollisionwahrscheinlichkeit von manchen Asteroiden zuerst immer größer wird, je mehr Daten man hat, bevor sie dann plötzlich auf Null fällt. Zuerst ist die Umlaufbahn noch ungenau und der Schlauch ist groß. Die Erde nimmt nur einen kleinen Raum des Schlauchs ein. Je mehr Daten man sammelt, desto dünner wird der Schlauch. Die Erde aber bleibt ja immer gleich groß und nimmt verhältnismäßig immer mehr Raum im immer dünner werdenden Schlauch ein. Deswegen steigt die Kollisionwahrscheinlichkeit an und erst wenn der Schlauch so dünn wird, dass sich die Erde komplett außerhalb befindet, fällt sie schlagartig auf Null. Wir haben mittlerweile sehr gute mathematische Methoden entwickelt, um zu berechnen, wie wahrscheinlich es ist, das ein Asteroid mit der Erde kollidiert. Aber wir können nur dann mit Sicherheit Bescheid wissen, wenn wir ausreichend viele Beobachtungsdaten gesammelt haben. Und das kann leider oft dauern. Aber die Unsicherheit hat zumindest ein gutes: Je gefährlicher ein Asteroid aussieht, desto mehr Teleskope werden eingesetzt, um die Gefahr einzuschätzen. Und früher oder später wissen wir dann Bescheid, ob es eine Kollision gibt oder - hoffentlich - nicht gibt.…
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1 Sternengeschichten Folge 638: Geminga, der Pulsar voller Rätsel 12:09
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Polubione12:09
Zuerst war da nichts und dann doch etwas Sternengeschichten Folge 638: Geminga, der Pulsar voller Rätsel Vor der Küste von Kenia befindet sich die so gar nicht kenianisch klingende San-Marco-Plattform. Dort, in der Nähe des Äquators hat die italienische Raumfahrtagentur im Jahr 1964 einen Raketenstartplatz gebaut und von dort am 15. November 1972 im Auftrag der NASA einen kleinen Satelliten ins All geschickt. Der Name des kleinen Satelliten war dann auch SAS-2, was für "Small Astronomy Satellite 2" steht. Und er war wirklich klein: Er hatte nur einen Durchmesser von knapp 60 Zentimetern, ein Gewicht von 186 Kilogramm und nur ein einziges Messinstrument an Bord, mit dem man hochenergetische Gammastrahlung nachweisen kann. Aber das war ausreichend, um damit unter anderem einen Himmelskörper zu entdecken, von dem man lange Zeit nicht einmal wusste, ob er wirklich da ist und den wir selbst heute nicht vollständig verstehen. Fangen wir mit der Gammastrahlung an. Das ist ganz normale elektromagnetische Strahlung, genau wie das normale Licht, das wir mit unseren Augen sehen können. Nur dass die Gammastrahlung sehr viel mehr Energie hat und deswegen eine sehr viel kleinere Wellenlänge. Unsere Augen können sie nicht sehen, aber mit entsprechenden Messinstrumenten können wir sie nachweisen. Auf der Erde kennen wir die Gammastrahlung als den sehr gefährlichen, hochenergetischen Anteil der radioaktiven Strahlung. Aber man hat schon den 1940er Jahren vermutet, dass es Gammastrahlung auch im Weltall geben könnte. Nicht, weil da irgendwer Atombomben zündet oder marode Kernkraftwerke betreibt. Sondern weil es auch diverse natürliche, astronomische Prozesse gibt, bei denen Gammastrahlung frei wird. Sehr starke Supernova-Explosionen zum Beispiel oder sehr heißes, sich sehr schnell bewegendes Gas. Gammastrahlung wird auch frei, wenn Materie extrem schnell um ein schwarzes Loch wirbelt, und so weiter. Das Problem ist allerdings: Die Erdatmosphäre lässt die Gammastrahlung aus dem Weltall nicht durch. Ok, das ist nur ein Problem für die Astronomie, für uns Menschen ist das allgemein ziemlich gut, denn diese Strahlung ist gefährlich für uns. Für die Forschung hat das aber bedeutet, dass man erst dann nachsehen konnte, ob da wirklich Gammastrahlung im Weltall ist, als man in der Lage war, Raketen mit Messinstrumenten in den Weltraum zu schicken. Das hat man ab 1961 gemacht und SAS-2 war dann der erste Satellit, dessen Aufgabe es war, eine umfangreiche Karte des ganzen Himmels im Gammalicht zu erstellen. Das Resultat: Man konnte tatsächlich jede Menge Gammastrahlungsquellen finden. Die meisten davon waren bekannt, zumindest insofern als man in der Richtung aus der die Strahlung kam, mit anderen Instrumenten Objekte sehen konnte, von denen man gewusst hat, dass sie Gammastrahlung produzieren. Das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße zum Beispiel, oder die Überreste von Supernovaexplosionen. Aber, und deswegen forscht man ja, man hat auch Gammastrahlungsquellen gefunden, die unbekannt waren. Auch die hat man im Laufe der Zeit identifizieren können, mit vorerst einer Ausnahme. Aus Richtung des Sternbilds Zwilling kam Gammastrahlung die man nicht zuordnen konnte. Die Auflösung von SAS-2 war aber auch nicht sehr gut, das heißt man konnte auch nicht exakt sagen, wo die Strahlung her kam. Aber normalerweise nutzt man in solchen Fällen andere Instrumente um mehr Informationen zu kriegen. Man kann zum Beispiel mit Radioteleskopen schauen, ob aus der Gegend Radiostrahlung kommt. Denn bei den meisten Prozessen, die Gammastrahlung freisetzen wird auch Radiostrahlung frei. In der fraglichen Region im Sternbild Zwillinge hat man ein paar Supernova-Überreste gefunden, also heißes Gas das sich schnell bewegt. Man hat in der Richtung eine andere Galaxie entdeckt und ein paar andere Radioquellen. Aber keine davon hat wirklich überzeugend gepasst. Was auch noch in Frage kommen würde, wäre ein Pulsar. Was das ist, habe ich in vergangenen Folgen auch schon erklärt: Wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens bei einer Supernova-Explosion aufhört zu existieren, bleibt der extrem verdichtete Kern übrig. Der ist nur ein paar Dutzend Kilometer groß, hat aber immer noch so viel Masse wie die Sonne. So etwas nennt man Neutronenstern und die Dinger rotieren extrem schnell - ein paar tausend Mal pro Sekunde um ihre Achse und haben auch extrem starke Magnetfelder. Dabei entstehen auch elektrische Felder, die Teilchen aus der Umgebung des Neutronensterns sehr schnell beschleunigen können und solche stark beschleunigten Teilchen können Gammastrahlung aussenden. So ein Neutronenstern erzeugt aber auch Radiostrahlung und die können wir beobachten. Weil die Strahlung nicht gleichmäßig in alle Richtungen abgegeben wird, sondern nur durch einen schmalen Kegel entlang der Rotationsachse, kann so ein Neutronenstern wie ein Leuchtturm funktionieren. Wenn der Strahlungskegel durch die Rotation regelmäßig über die Erde streicht, sehen wir quasi ein "Blinken" im Radiolicht, das extrem regelmäßig ist. So etwas nennt man Pulsar und man hat vermutet, dass die ominöse Gammastrahlungsquelle im Sternbild Zwilling genau so ein Pulsar ist. Nur: Egal wie sehr man gesucht hat, man hat nirgendwo passende Radiostrahlung gefunden. Auch der 1975 gestartete Gammastrahlungssatellit Cos-B der Europäischen Weltraumorganisation hat das Rätsel nicht lösen können. Deswegen hat er auch die Bezeichnung "Geminga" bekommen. Das steht einerseits sehr prosaisch für "Gemini Gamma-Ray Source", als Gammastrahlungsquelle im Zwilling. Andererseits bedeutet "gh'è minga" im lombardischen Dialekt der rund um Mailand gesprochen wird auch so viel wie "ist nicht da", was Giovanni Bignami, dem italienischen Astronomen und Entdecker der Gammastrahlungsquelle, sehr passend vorgekommen ist. Erst 1991 konnte man mit dem Röntgensatellit ROSAT zeigen, dass dort, wo Geminga sein sollte tatsächlich etwas ist. Und zwar tatsächlich ein Pulsar, der zwar Gammastrahlung und auch Röntgenstrahlung abgibt. Aber überraschenderweise so gut wie keine Radiostrahlung. Geminga ist eines der wenigen bekannten Beispiele für einen "radioleisen" Pulsar. Und bevor wir uns anschauen, was das ist, fasse ich noch einmal den aktuellen Stand des Wissens zusammen. Geminga ist ein Pulsar, also ein schnell rotierender Neutronenstern, der Überrest eines ehemals großen Sterns. Er befindet sich nur gut 800 Lichtjahre von der Erde entfernt und ist damit der uns am nächsten gelegene Pulsar den wir kennen. Oder der zweitnächste nach dem Vela-Pulsar; da sind die Entfernungsmessungen noch nicht exakt genug. Allein das würde das Objekt schon sehr spannend für die Wissenschaft machen. Dass Geminga noch dazu so seltsam ist, ist ein extra Bonus. Die erste Seltsamkeit ist, wie vorhin erwähnt, die Tatsache, dass er radioleise ist. Ein möglicher Grund dafür ist natürlich zuerst der offensichtliche: Der Strahlungskegel seiner Radiostrahlung überstreicht die Erde nicht, deswegen sehen wir mit den Radioteleskopen auch nichts. Es kann aber auch an seinem Alter liegen: Geminga ist vor circa 300.000 Jahren bei einer Supernova-Explosion entstanden. Es könnte sein, dass die Prozesse, die bei einem Pulsar die Radiostrahlung erzeugen im Laufe der Zeit weniger effizient werden. Das heißt: Je älter der Pulsar, desto größer wird der Gammastrahlungsanteil an seiner gesamten Strahlung. Und das, was die Strahlung produziert, sind ja die diversen, komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Magnetfeld des Pulsars und den Teilchen in seiner unmittelbaren Umgebung. Das muss nicht bei jedem Pulsar gleich ablaufen, vielleicht ist bei Geminga irgendwas anders? Zusammengefasst: Geminga ist ein Pulsar voller Rätsel und wenn wir es schaffen, diese Rätsel zu lösen, dann haben wir damit auch gleich ein paar ganz andere Rätsel über das allgemeine Verhalten so seltsamer Objekte wie Neutronensterne gelöst. Deswegen schauen wir auch immer wieder hin und unsere Teleskope werden immer besser. Das im Jahr 2008 gestartete Fermi-Weltraum-Gammastrahlungsteleskop der NASA hat das natürlich auch getan und 2019 eine regelrechte, ausgedehnte Hülle aus Gammastrahlung um Geminga herum entdeckt. Könnten wir das mit unseren Augen sehen, dann würde Geminga am Himmel 40 mal größer als der Vollmond erscheinen. Das liegt - vereinfacht gesagt - daran, dass Geminga mit seiner Gammastrahlung das Sternenlicht in seiner Umgebung beeinflusst. Wie ich vorhin erklärt habe, entsteht die Gammastrahlung durch die Teilchen, die vom Magnetfeld des Pulsars beschleunigt werden. Diese Teilchen sind unter anderem Elektronen, die aus der Oberfläche des Neutronensterns gerissen werden. Sie werden auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, entfernen sich von Geminga und treffen dort auf das normale Sternenlicht, also auf normale Lichtteilchen, die von den Sternen in der Umgebung stammen. Wenn die schnellen Elektronen und das Licht miteinander wechselwirken, dann entsteht ebenfalls Gammastrahlung. Geminga hat uns aber auch Hinweise darauf gegegen, wieso manche Pulsare Planeten haben. Wir kennen nicht viele solcher Objekte, aber ein paar und was wir da wissen, habe ich in Folge 355 ausführlich erzählt. Denn ein Pulsar ist ja ein toter Stern, der Rest einer gewaltigen Supernova. Wenn da früher mal Planeten waren, sollten die danach weg sein. Was auch so ist, aber unter Umständen können aus den Trümmern der Explosion neue Planeten entstehen. Geminga zeigt uns, wie das gehen könnte. Der Pulsar bewegt sich nämlich sehr schnell, viel schneller als Sterne das üblicherweise tun. Er pflügt regelrecht durch das interstellare Gas, also das bisschen an Materie, das sich zwischen den Sternen befindet. Er erzeugt dabei eine Art Bugwelle, wie es auch Schiff tut, das schnell durchs Wasser fährt. In der Bugwelle kann Gas und Staub quasi aufgesammelt werden und ein bisschen was davon könnte in die Nähe des Pulsars gelangen und wenn sich im Laufe der Zeit genug davon angesammelt hat, können daraus Planeten entstehen. Man hat mit entsprechenden Beobachtungen bei Geminga zwar noch keine Planeten gefunden, aber dafür jede Menge Staub und Gas. Es ist viel Zeit vergangen, seit wir Geminga entdeckt haben. Aber es wird noch sehr viel mehr Zeit vergehen, bis wir dieses faszinierende Objekt wirklich verstanden haben.…
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1 Sternengeschichten Folge 637: Eugene Parker und der Sonnenwind 14:03
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Licht aus, es zieht! Sternengeschichten Folge 637: Eugene Parker und der Sonnenwind Die Sonne leuchtet: Das ist eine sehr fundamentale astronomische Beobachtung und eine, die sehr einfach durchzuführen ist. Die Sonne macht aber noch viel mehr und es hat ein wenig gedauert, bis wir das verstanden haben. Die längste Zeit über war die Sonne in unserer Vorstellung einfach genau das, wonach es auch aussieht, nämlich eine Kugel, die leuchtet. Dass da noch mehr ist, dass die Sonne ein dynamisches Objekt ist, und nicht einfach nur eine eigenschaftslose Lichtquelle: Das haben wir lange Zeit über nicht verstanden. Das gilt ganz besonders für das Phänomen, das wir heute "Sonnenwind" nennen. Dass die Sonne mehr Einfluss auf ihre Umgebung hat als einfach nur durch ihr Licht, hat man das erste Mal so richtig im 19. Jahrhundert vermutet. Im Jahr 1859 fand das Carrington-Ereignis statt, von dem ich in Folge 484 ausführlich erzählt habe. Dabei hat es sich um eine gewaltige Sonneneuruption gehandelt, die auf der Erde für einen magnetischen Sturm gesorgt hat. Die Telegrafennetze brachen damals zusammen, es gab gewaltige Polarlichter und das hat den englischen Astronom Richard Carrington vermuten lassen, dass es da einen Zusammenhang geben muss; dass irgendwas zusätzlich zum Sonnenlicht von der Sonne zur Erde gelangt ist und die Ereignisse dort ausgelöst hat. Der norwegische Physiker Kristian Birkeland hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenfalls vermutet, dass die Polarlichter allgemein durch Teilchen ausgelöst werden, die von der Sonne zur Erde gelangen. Damals hat man aber gerade erst angefangen, die Details der Dynamik in der Sonne zu verstehen und weder Carrington noch Birkeland wurden mit ihrer Idee der Teilchenströme von der Sonne ernst genommen. Und jetzt verlassen wir kurz die Geschichte und schauen mit dem Wissen von heute auf die Sonne. Dann ist es nämlich gar nicht schwer zu verstehen, dass sie mehr als nur Licht ins All hinaus schickt. Die Sonne ist eine riesige Kugel aus sehr heißem Gas. Die Teilchen bewegen sich sehr schnell, sie sind auch elektrisch geladen und erzeugen bei ihrer Bewegung elektrische und magnetische Ströme. In den äußersten Schichten der Sonnenatmosphäre können die Gasteilchen jetzt einerseits durch die hohen Temperaturen und andererseits durch die magnetischen Felder so beschleunigt werden, dass sie die Sonne verlassen. Sie strömen hinaus ins All und können das vergleichsweise langsam und in vergleichsweiser geringe Menge tun. Oder aber sehr viele Teilchen auf einmal strömen sehr schnell ins All. Das ist dann eine Sonneneruption, die - sehr vereinfacht gesagt - durch elektrische Kurzschlüsse auf der Sonne ausgelöst wird. Das mit den Sonneneruptionen hat man auch schon im frühen 20. Jahrhundert gewusst und akzeptiert. Aber das, was der deutsche Astronom Ludwig Biermann im Jahr 1951 veröffentlicht hat, ist vorerst immer noch auf Widerstand gestoßen. Biermann hat einen Artikel geschrieben, mit dem Titel "Kometenschweife und solare Korpuskularstrahlung". Er hat darin überlegt, warum Kometen und ihre Schweife sich so verhalten, wie sie es tun. Auch das habe ich schon oft erklärt: Wenn ein Komet in die Nähe der Sonne gelangt, taut das gefrorene Material auf seiner Oberfläche auf, strömt ins All und reißt dabei Staub mit sich. Der bildet dann einen Schweif, der immer von der Sonne weg zeigt, egal wie sich der Komet gerade bewegt. Grund dafür ist der Strahlunsdruck, also die Kraft, die das Licht selbst auf die Staubteilchen ausübt. Das ist das einfache Bild, im Detail ist es aber komplizierter. Ein Komet hat nämlich nicht nur so einen Staubschweif, sondern auch oft einen zweiten, einen Plasmaschweif. Der besteht aus ionisierten Molekülen, also geladenen Teilchen. Auch dieser Schweif zeigt immer von der Sonne weg, ist im Gegensatz zum Staubschweif aber gerade. Der Staubschweif ist gekrümmt, weil der Stahlungsdruck unterschiedlich stark auf die unterschiedlich großen Staubteilchen wirkt. Beim Plasmaschweif ist das nicht der Fall und wenn man ganz genau beobachtet, dann sieht man auch, dass er nicht exakt von der Sonne weg zeigt. Biermann hat beide Phänomene mit einer "solaren Korpuskularstrahlung" erklärt, also einem ständigen Strom von Teilchen der von der Sonne ausgeht. Diese Teilchen wäre einerseits schnell genug um die Moleküle aus der Umgebung der Oberfläche des Kometen zu einem geraden Schweif davon zu pusten. Und andererseits bewegt sich ja der ganze Komet durch diesen Strom und die Bewegung des Kometen in Kombination mit der Richtung aus der die Teilchen der Sonne kommen führt dazu, dass der Plasmaschweif ein bisschen verschoben wird. Ich will das jetzt nicht im Detail erklären, aber es funktioniert ein wenig so wie die Aberration des Sternenlichts, von der ich schon in Folge 83 erzählt habe. Aber Biermanns Arbeit wurde in der Astronomie nicht sehr freudig aufgenommen. Ein ständiger Teilchenstrom der von der Sonne ausgeht: Das ist den meisten nicht plausibel erschienen. 1956 hat Biermann in den USA den Physiker John Simpson besucht. Der war damals eine absolute Authorität bei der Erforschung der kosmischen Strahlung und der Physik die zwischen Sonne und Erde stattfindet. Aber auch Simpson war nicht von Biermanns Forschung überzeugt. Wenn die Sonne dauernd Teilchen ins All schickt, dann müsste sie ja irgendwann "leer" sein - und außerdem war Simpson vom damaligen Bild der Sonnenatmosphäre überzeugt und das hat sie als statisch beschrieben, also so wie die Erdatmosphäre. Da tut sich zwar ein bisschen was, aber im Wesentlichen ist das halt einfach Gas, das jetzt nicht wilde Dinge anstellt. Trotzdem hat Simpson einen jungen Mitarbeiter gebeten, sich die Sache von Biermann mal in Ruhe anzusehen. Dieser Mitarbeiter war Eugene Parker, damals erst 29 Jahre alt. Parker hat sich die Sache aber nicht nur angesehen, er fand Biermanns Behauptung auch viel plausibler als sein Chef es getan hat. Deswegen hat er sich dann auch die Mühe gemacht und ein komplettes mathematisches Modell entwickelt um zu beschreiben, wie die Sonne Teilchen aus ihrer Atmosphäre beschleunigen und ins All schleudern kann. Dieses Modell wollte er dann auch veröffentlichen, was Simpson gar nicht so super gefunden hat. Er hat sich geweigert, die Publikation zu unterstützen und wollte seinen Namen da komplett raushalten. Die meisten wissenschaftliche Journale wollten den Artikel von Parker ebenfalls nicht publizieren; erst 1958 ist sein Aufsatz dann in einer Ausgabe des Astrophysical Journal erschienen und das nur, weil der damalige Chefeditor und spätere Physiknobelpreisträger Subrahmanyan Chandrasekhar zwar auch der Meinung war, dass Parkers Idee Quatsch ist - aber trotzdem nicht wollte, dass die Arbeit einfach so verschwindet. Jetzt gab es zwar eine detaillierte mathematische und physikalische Erklärung, wie die Sonne ständig Teilchen ins All schleudert, akzeptiert hat man diese Vorhersage von Parker aber trotzdem nicht. Übrigens: In dieser Arbeit von 1958 hat Parker den Begriff "Sonnenwind" noch nicht erwähnt; er stammt aber trotzdem von ihm. Schon ab 1957 hat er ihn immer wieder in Diskussionen und Gesprächen benutzt und irgendwann hat er sich dann auch in der wissenschaftlichen Literatur durchgesetzt. Was aber nichts daran geändert hat, dass außer ihm so gut wie niemand von der Existenz des Sonnenwinds überzeugt war. Aber zum Glück für Parker - und die Wissenschaft ganz allgemein - war mittlerweile das Weltraumzeitalter angebrochen. Im Oktober 1957 hatte die Sowjetunion mit Sputnik den ersten Satelliten ins All geschickt, die USA sind im Februar 1958 mit Explorer 1 gefolgt. Die erste Raumsonde, also das erste künstliche Objekt das nicht nur die Erde umkreist sondern weiter hinaus ins All fliegt, ist im Januar 1959 von der Sowjetunion gestartet worden. Luna 1 sollte eigentlich auf dem Mond landen, hat unseren Nachbarn aber verfehlt. Aber sie ist immerhin am Mond vorbeigeflogen und hat jede Menge Daten gesammelt. Sie war mit Messgeräten ausgestattet, die die radioaktive Strahlung im Weltall messen sollten und die Anzahl der Teilchen die da so im ansonsten leeren Weltraum runfliegen. Und mit diesem Gerät war Luna 1 in der Lage, die Existenz des Sonnenwinds zu bestätigen. Ludwig Biermann und Eugene Parker hatten Recht: Da war tatsächlich ein ständiger Strom von Teilchen aus Richtung der Sonne. Als dann 1962 die amerikanische Sonde Mariner 2 zum Merkur geflogen ist, hat sie das alles nochmal bestätigt und als die Astronauten der Apollo-Mission 1969 auf dem Mond gelandet sind, haben sie dort Messgeräte aufgestellt, die den Sonnenwind quasi live und direkt nachweisen konnten. Seitdem wissen wir ohne Zweifel: Die Sonne leuchtet nicht nur, sie schleudert auch ständig Teilchen aus ihrer Atmosphäre hinaus ins All. Pro Sekunde ungefähr eine Million Tonnen an Material, was zwar viel ist aber dann doch nicht so viel, dass man Angst haben müsste, unser Stern könnte sich in naher Zukunft auflösen. Seit die Sonne existiert hat sie bei dieser Rate weniger als ein zehntausendstel ihrer Masse an den Sonnenwind verloren, da müssen wir uns also keine Sorgen machen. Mittlerweile haben wir den Sonnenwind auch sehr gut erforscht. Wir wissen, dass er vor allem aus Wasserstoff- und Heliumatomkernen besteht. Was auch sonst, das sind ja die Hauptbestandteile der Sonne. Aber auch von den restlichen Elementen, die sich in geringen Mengen in der Sonne befinden, finden wir Teilchen im Sonnenwind. Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Eisen - und so weiter. Bei der Geschwindigkeit gibt es zwei unterschiedliche Arten von Sonnenwind. Der langsame Sonnenwind startet mit circa 150 Kilometer pro Sekunde von der Sonnenoberfläche und wird am Ende bis zu 300 Kilometer pro Sekunde schnell. Der schnelle Sonnenwind erreicht bis zu 750 Kilometer pro Sekunde und wir sind uns noch nicht ganz sicher, warum ein Teil des Sonnenwinds langsamer ist als der andere. Es hat mit Sicherheit mit den komplexen elektrisch/magnetischen Vorgängen im Sonneninneren zu tun, aber die haben wir noch nicht vollständig verstanden. Außerdem rotiert die Sonne ja auch um ihre Achse und der Sonnenwind, den sie dabei abgibt verhält sich ein bisschen so wie das Wasser in einem Sprinkler. Er bildet spiralförmige Kurven, die von der Sonne ausgehen - die übrigens heute "Parker-Spiralen" genannt werden. Der Sonnenwind ist aber viel mehr als nur ein paar Teilchen, die da halt durch den interplanetaren Raum sausen. Es sind ja geladene Teilchen und deswegen beeinflussen sie auch das Magnetfeld der Sonne, das sich weit hinaus, über die Planeten hinweg erstreckt. Erst bei ungefähr 100 Astronomischen Einheiten, also dem 100fachen Abstand zwischen Sonne und Erde, ist der Sonnenwind so dünn geworden, dass er sich nicht mehr von den interstellaren Teilchen unterscheiden lässt. Das vom Sonnenwind so weit transportierte und beeinflusste Magnetfeld der Sonne steht dabei natürlich in Wechselwirkung mit den Magnetfeldern aller Planeten. Der Sonnenwind hat also Auswirkungen auf alles im Sonnensystem, auch ganz konkret bei uns auf der Erde. Bei den Polarlichter, für die Raumfahrt, für den irdischen Funkverkehr, und so weiter. Der Sonnenwind besteht aus dem Material, aus dem die Sonne selbst besteht und erlaubt es uns daher, auch zu verstehen, was in der Sonne passiert. Seine Erforschung ist ein unerlässliches Werkzeug, wenn wir unseren Stern und das ganze Sonnensystem verstehen wollen. Eugene Parker war zwar nicht der erste, der die Idee hatte, das so etwas wie einen Sonnenwind geben könnte. Aber er war derjenige, der das ganze mathematisch-physikalisch beschrieben hat und der mit seiner Arbeit dafür gesorgt hat, dass sich die Idee am Ende durchgesetzt hat. Im August 2018 hat die NASA eine Raumsonde gestartet, um die äußerste Schicht der Sonnenatmosphäre zu erforschen. Diese Sonde fliegt so nahe an die Sonne wie keine es vor ihr getan hat und wird quasi vor Ort untersuchen können, wie der Sonnenwind entsteht. Und es ist absolut gerechtfertigt, dass diese Sonde den Namen "Parker Solar Probe" bekommen hat.…
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