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Giacomo Puccini - Superstar der Oper

23:50
 
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Kitsch oder Kult? Kolportage oder Kunst? Wie auch immer: Giacomo Puccinis "La Boheme", "Tosca" und "Turandot" ziehen bis heute die Menschen in die Opernhäuser der Welt. Puccini war Weltstar, Schwermütiger, Auto- und Techniknarr, eine vielseitige, oft widersprüchliche, immer aber faszinierende Figur. Von Christian Schuler

Credits
Autor dieser Folge: Christian Schuler
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Hemma Michl, Jerzy May, Florian Schwarz
Technik: Simon Lobenhofer
Redaktion: Karin Becker

Im Interview:
Jörg handstein, Autor und Kritiker
Volkmar Fischer, Musikjournalist (BR Klassik)

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Literatur:
Richard Erkens (Hg.): Puccini-Handbuch, Gemeinschaftsausgabe der Verlage Metzler, Stuttgart, und Bärenreiter, Kassel, © Springer-Verlag GmbH, Stuttgart 2017.
Giuseppe Adami (Hg.): Puccini. Ein Musikerleben, mit 240 eigenen Briefen, Berlin o.J. (vermutlich 1930er Jahre).
Clemens Höslinger: Puccini. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1984.
Dieter Schickling: Puccini. Biographie. München 2017.
Arthur M. Abell: Gespräche mit berühmten Musikern, Artha Buchdienst, Oy-Mittelberg, 1973.

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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ZSP 1 Fischer

Es ist einfach so, dass Puccini mit bestimmten Tricks arbeitet. Und da würde ich vor allem die Oktavierung der Gesangslinie nennen. Das heißt eine bestimmte Melodie, die gesungen wird, wird gleichzeitig im Orchester aufgegriffen und eben in Oktaven, in Oktavparallelen verstärkt.

Musik hoch

(Forts. ZSP 1 Fischer) Und man kann einfach sagen, dadurch wird das Gefühlspedal voll durchgetreten in einer Form, wie es das bisher nicht gab in der Operngeschichte.

Sprecherin

Sagt ein Kenner und Liebhaber von Giacomo Puccini, der Journalist Volkmar Fischer. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem italienischen Komponisten, seinen Stilmitteln, seinen Kniffen – und ist dennoch immer wieder hingerissen.

ZSP 2 Fischer

Ja, man ist da eigentlich klüger als die Musik. Vielleicht liegt es daran, dass er halt im ganzen einen Tonfall ... kreiert, der am gesprochenen Wort angelehnt ist ... Er hat seine Librettisten da schon haben wollen, dass das dann praktisch so wirkt, als würden die sich mehr oder weniger ganz normal unterhalten, diese Leute. Und vor diesem Hintergrund ..., mit der die Boheme zum Beispiel losgeht, eine halbe Stunde lang, wirkt es umso stärker, wenn dann eben (auf das Gefühlspedal getreten wird, indem) sich Melodien plötzlich groß ausbreiten und das Orchester sich drauf setzt ... man erliegt dem, selbst wenn man durchschaut, wie es konstruiert ist.

Sprecherin

Genau aus diesem Grund hat Igor Strawinsky Puccini als ein „Genie der Sentimentalität“ bezeichnet.

Musik 2: Nessun dorma! 53 Sek

ZSP 3 Fischer

Und selbst ein Anton Webern, der atonal komponierte, zwölftönig, der hat gesagt: Nein, Puccini, das ist kein Kitsch. Das ist höchste Kunst, wie er den Bogen spannt, von ungeheuer zarten Farben bis zu exzessiven Eruptionen, immer bezogen auf, sagen wir mal: Liebesschmerz. Es ist für ihn ganz zentral, dass Liebe mit Schmerz verbunden ist und auch mit Tod. Und da ist er eigentlich Extremist. Also ich wüsste nicht, wer das sonst so bis zum Geht-nicht-mehr ausgelotet hätte.

Musikwechsel in Musik 3: „End titles“ – 54 sek

Sprecherin

An dieser „genialen Sentimentalität“ scheiden sich die Geister. Und daran schieden sie sich schon zu Puccinis Lebzeiten.

Zitator 2

„Eine vergängliche Kunst, wie schlechter Journalismus, wie minderwertige Literatur.“

Sprecherin

So der Schriftsteller Fausto Torrefranca im Jahr 1912. Und der Kritiker der Turiner Zeitung „Stampa“ schrieb nach der Uraufführung der Oper „La Bohème“:

Zitator 2

„So wie die Bohème keinen tiefen Eindruck auf das Gemüt der Zuhörer hinterlässt, so wird sie auch keine große Spur in der Geschichte unseres Operntheaters hinterlassen, und es wird gut sein, wenn sie der Autor wie den Irrtum eines Augenblicks betrachtet ...“

Musik 4: Sì, mi chiamano Mimì. Arie der Mimì – 55 sek

Sprecherin

Ausgerechnet „La Bohéme“, eines der meistaufgeführten Werke der Operngeschichte. Überhaupt die Kritiker, die sogenannten Fachleute, sie wurden regelrecht überrollt von der Wucht dieser Musik und ihres Erfolgs. Dass Puccinis Opern gelegentlich zur Rührseligkeit neigen, zum Seichten und Süßlichen, bestreiten nicht einmal seine glühendsten Anhänger. Aber könnte etwas, was künstlerisch wertlos ist, so dauerhaft und langlebig sein? Können die Millionen von Opernfans irren, die bis heute die Säle füllen, wenn „La Bohème“, „Tosca“ oder „Madama Butterfly“ gespielt werden? Der Puccini-Biograph Dieter Schickling:

Zitator 2

„Puccini hat nie behauptet, dass er ein bedeutender Komponist sei. Er sagte stattdessen wieder und wieder, er wolle nur, dass seine Werke dem Publikum gefallen. Beides ist bekanntlich nicht das gleiche. Bei Puccini denkt man manchmal, hier sei das der Fall.“ (Schickling)

Musik5 : Puccini auf der Orgel: – 35 Sek

Sprecherin

Giacomo Puccini stammte aus einer Musikerfamilie und war eigentlich Giacomo der Zweite. Seine Ahnenreihe lässt sich vier Generationen zurückverfolgen, bis zu Giacomo dem Ersten, der aus einem toskanischen Bergdorf stammte und sich später in Lucca niederließ. Die Puccinis prägten als Organisten, Komponisten, Kapellmeister und Musiklehrer das musikalische Leben dieser kleinen, aber stolzen Stadt, die musikalisch einiges zu bieten hatte.

ZSP 4 Handstein

Er sollte ja wirklich in die Fußstapfen seines Vaters treten, als Organist und Kapellmeister und hat sehr früh angefangen an der Orgel. Ich glaube, mit fünf oder sechs Jahren hat ihn der Vater schon an die Orgel gesetzt ... Und er hat gelernt, wie man halt das Handwerk lernt, also Orgelspiel, Choräle später dirigieren. In Lucca gab es eine sehr gute Musikschule, fast eine Art Konservatorium, und da hat er auch das volle Programm gelernt. Und er war eigentlich dann auch fit für die Kirchenmusik ... Aber in Lucca gab es auch eine Oper, ein Opernhaus sogar, und da hat ihn einfach auch ja das Bühnengeschehen angefixt und die Geschichten, die dort erzählt wurden...

Sprecherin

Der Musikschriftsteller Jörg Handstein.

Das Maß aller Dinge in Sachen Oper war zur Zeit von Puccinis Jugend Giuseppe Verdi. Puccini wurde auf Verdi durch seinen Lehrer am Konservatorium in Lucca aufmerksam gemacht und studierte als junger Mann angeblich fleißig die Partituren von „La Traviata“, „Rigoletto“ und „Il Trovatore“. Dann kam das Frühjahr 1876.

Musik 6: Verdis „Aida“, Triumphmarsch, ab 0:23 – 26 Sekunden

Sprecherin

In Pisa, hieß es, werde „Aida“ gegeben. Der 17-jährige Puccini machte sich auf den Weg, zu Fuß. Gut vier Stunden braucht man von Lucca nach Pisa. Der Eindruck, den Aida auf Puccini machte, scheint überwältigend gewesen zu sein.

Zitator 1

„Es war, als ob sich mir die musikalische Pforte eröffnet hätte.“

(Zitat kommt bei Höslinger vor, als Quelle gibt er das Buch von Torrefranca von 1912 an)

Sprecherin

Und spätestens seit diesem Abend soll er sich über seine Bestimmung im Klaren gewesen sein: er wollte Opernkomponist werden. Oder in den Worten des über 60-Jährigen an seinen Librettisten Giuseppe Adami:

Zitator 1

„Ich kam vor langer Zeit auf die Welt, vor gar zu langer Zeit, es mag ein Jahrhundert her sein ... und Gott berührte mich mit dem kleinen Finger und sprach: ‚Schreibe fürs Theater; hüte dich: nur fürs Theater‘ – und ich habe den höchsten Rat befolgt.“ (zitiert nach Adami)

Musik 7: 2. Aufzug aus Parsifal – 47 Sekunden

Sprecherin

Auch wenn schon bald nicht mehr Verdi sein Idol war, sondern Richard Wagner. Er galt dem jungen Studenten als Inbegriff musikalischer Modernität. Wagner stand für die Überwindung des Belcanto und der alten Nummernoper, ihrer formalen Enge, ihrer inhaltlichen Klischees. Eine von Puccinis ersten Anschaffungen nach dem Wechsel ans Konservatorium von Mailand soll eine Partitur von Wagners Oper „Parsifal“ gewesen sein, die er sich im wahrsten Sinne vom Mund abgespart hatte.

ZSP 5 Handstein

Die Familie ist ja verarmt, weil sein Vater sehr früh gestorben ist. Und es war eine große Familie mit fünf bis sieben Kindern. Und die Mutter konnte die Familie schon kaum durchbringen, und das Studium hätte sie niemals bezahlen können. Und er hat es eigentlich nur geschafft, weil er von der Königin höchstpersönlich ein Stipendium bekommen hat. Und das ist aber nach einem Jahr ausgelaufen, und er musste wirklich von der Hand in den Mund leben.

Sprecherin

Armut, Kälte, Krankheit, all das, was später die studentische Szenerie in La Bohème kennzeichnet, hat Puccini in Mailand selbst erlebt, wie er in einem Interview bekannte.

Musik 8: „Introduction aus: La Bohème“- 26 Sekunden

Zitator 1

„Wenn Sie den Vorhang zum ersten Akt von La Boheme aufgehen sehen, erleben sie den armen Musikstudenten Giacomo Puccini ... Ich ernährte mich von Brot, Bohnen und Heringen und fror manchmal so sehr, dass ich tatsächlich wie Rodolfo in der Oper die Manuskripte meiner ersten Kompositionsversuche verbrannte, um mich zu wärmen ...“ (Interview ist von 1904, abgedruckt in einem Buch von 1973, 2. Auflage)

Sprecherin

Auch mit dem Abschluss seines Studiums in Mailand besserte sich seine Situation erst einmal nicht. Er arbeitete an seiner ersten Oper „Le Villi“ und bewarb sich mit ihr bei einem Preisausschreiben. Er gewann zwar keinen Preis, erregte aber die Aufmerksamkeit des einflussreichen Musikverlegers Giulio Ricordi. Ricordi wurde in der Folgezeit für Puccini so etwas wie ein väterlicher Freund, der ihn nach Kräften förderte. Ricordi finanzierte ihm eine Reise zu den Bayreuther Festspielen, zahlte Vorschüsse, schlug geeignete Opernstoffe vor, vermittelte Librettisten.

Auch mit Ricordis Hilfe wurde Puccinis erste Oper ein beachtlicher Erfolg, der von der Presse überschwänglich bejubelt wurde:

Zitator 2

„Wir glauben fest, dass Puccini jener Komponist ist, den Italien seit langer Zeit erwartet.“

Musik 9: 1. Akt, „Manon Lescaut“ (instr.), Archivnummer M0040311 101 - 34 Sekunden

Sprecherin

Und Puccini enttäuschte seine Landsleute nicht. Die Oper „Manon Lescaut“, uraufgeführt 1893 in Turin, verhalf ihm endgültig zum Durchbruch: das Publikum reagierte enthusiastisch, 30 Vorhänge, überwiegend positive Kritiken. Noch im selben Jahr wurde die Oper in Buenos Aires, St. Petersburg, Madrid und Hamburg gespielt. Sie brachte auch finanziell die Wende für den Komponisten.

ZSP 6 Handstein

Er hat an dieser Oper schon sehr lange gearbeitet ... Und über all diese Jahre war er noch ebenso arm wie zuvor, bloß dass er jetzt auch noch eine Familie am Hals hatte, nämlich seine Lebensgefährtin Elvira, die ja noch die Ehefrau eines anderen Mannes war, die ein Kind aus der anderen Ehe mitgebracht hat. Und Puccini hat in der Zwischenzeit selber mit ihr noch ein Kind gehabt. Das heißt, es war eine vierköpfige Familie, die irgendwie leben musste. ... Und dann ging auf einmal die Oper durch die Decke, und er hat unfassbar viel verdient. Er selbst hat von 40.000 Lire gesprochen.

Sprecherin

Zwar musste Puccini Vorschüsse und Schulden zurückzahlen, aber die Zeit der Entbehrungen war zu Ende.

ZSP 7 Handstein

Er konnte sich erstmals was kaufen, was nicht unbedingt zum Leben nötig war. Und eine der ersten Sachen, die er gemacht hat, ist, dass er sich ein Fahrrad gekauft hat, was damals noch ein sehr exklusives Vergnügen war.

ATMOS italienische Landschaft, Seeufer

Sprecherin

Schon zwei Jahre zuvor war er in einen abgelegenen Ort am Lago di Massaciucolli übergesiedelt, nach Torre del Lago, wo er mit seiner Familie zunächst zur Miete wohnte. Einige Jahre später, nach dem Erfolg von „La Bohème“, wird er sich dort ein Seegrundstück zulegen und eine Villa bauen, die heute ein Museum und nationales Kulturerbe ist.

Zitator 1

„Torre del Lago – höchste Freude, Paradies, Eden, siebter Himmel ... 120 Einwohner, 12 Häuser, stilles Land, mit der wunderbaren Macchia bis zum Meer ... Hier habe ich die Abgeschiedenheit gefunden, die für mich unbedingt notwendig ist, um zu komponieren.“ (Zitiert nach Adami)

Sprecherin

In Torre del Lago, das für 30 Jahre seine Heimat wird, entstanden die meisten von Puccinis Opern: „La Fanciulla del West“, die drei Kurzopern von „Il Trittico“, zuletzt auch noch Skizzen zur unvollendeten „Turandot“. Vor allem aber - bis 1904 - die drei Opern, die bis heute seinen Weltruhm begründen: „La Bohème“, „Tosca“ und „Madama Butterfly“.

Musik 10: Avanti urania – 1:12 Minuten

In Torre del Lago änderte sich auch sein Lebensstil. Er ging zur Jagd, fuhr mit einem seiner Boote auf den See, um zu fischen, machte Ausflüge mit dem Auto und veranstaltete Gelage mit den Einheimischen, bei denen getrunken, geraucht und Karten gespielt wurde, sehr zum Leidwesen seiner Frau Elvira, die in Torre del Lago einsam und unglücklich gewesen sein soll und sich lieber in Mailand aufhielt. Puccini und Elvira, eine leidenschaftliche und – nicht zuletzt durch Puccinis zahlreiche Affären - schwierige, krisengeschüttelte Liebe, die aber bis zu Puccinis Tod hielt.

Komponiert hat er in Torre de Lago vor allem am Abend und in der Nacht, wie sein Librettist Giuseppe Adami schreibt:

Zitator 2

„Nachmittags setzte er sich ans Klavier, bis elf Uhr abends, auch bis 2 Uhr nachts, trank riesige Mengen Kaffee und rauchte eine ungeheure Anzahl von Zigarren und Zigaretten. Mit seinem großen Bleistift schrieb er noch bis zum Morgengrauen ...“ (Zitiert nach Adami)

ZSP 8 Handstein

Also er hat äußerst sorgfältig gearbeitet und damit auch sehr langsam.

Also er hat sich wirklich reingelebt. Und er hat auch gesagt, er kann keine Oper schreiben, wenn er sie nicht mitempfindet. Und es ging so weit, dass er sich sozusagen in seine Frauengestalten verliebt hat ... Am meisten geliebt hat er die Madame Butterfly. Das hat er gesagt.

Musik 11: Madama Butterfly: Un bel di vedremo, 40 Sek

Sprecherin

„Madama Butterfly“, die tragische Liebesgeschichte der Geisha Cio-Cio-San und des amerikanischen Marineoffiziers Pinkerton, spielt in Japan, „La Bohème“ in Paris, „La Fanciulla del West“ im Goldgräbermilieu der Vereinigten Staaten, „Turandot“ greift ein chinesisches Sujet auf. Es sind Geschichten aus unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Kulturen, die Puccini vertont. Und für jede Oper vertieft er sich in die Klangwelt der jeweiligen Länder und Erdteile, in denen die Handlung angesiedelt ist, um seinen Opern das entsprechende Kolorit zu geben.

Musik 12: Butterfly mit japanischem Kolorit: Coro a bocca chiusa, - 1:10 Minuten

Zitator 1

„Ich habe jetzt Besuch gehabt von Frau Ohyama, der Frau des japanischen Gesandten. Sie hat mir viele interessante Dinge gesagt und mir Lieder aus ihrer Heimat vorgesungen, Sie versprach mir, Noten von der Musik ihres Heimatlandes schicken zu lassen.“ (Zitiert nach Adami)

ZSP 9 Fischer

Es ist natürlich ein Einfühlungsvermögen, das ihn ausgezeichnet hat, je nach Sujet, je nach Figurenkonstellation. Und er hat da, glaube ich, auch Ambitionen gehabt, dass ihm keiner nachsagt: Der hat ja immer nur die gleiche Oper geschrieben ... Aber für Puccini gilt es nun wirklich, dass er sich chamäleonartig angepasst hat, je nachdem, was nötig war. Während das aber vor allem für das Orchester gilt, für die Orchester-Handhabung, und nicht so sehr für die Führung der Gesangsstimmen. Ich finde schon, es gibt einen typischen Stil, der Puccini eigen ist, wie er Stimmen führt und wie er sie praktisch aus diesem dem Alltag Angenäherten herausführt und emotional praktisch explodieren lässt. Und das ist zweifellos eine ganz persönliche Handschrift, wie Puccini-Gesang funktioniert, und das ist auch unabhängig vom Schauplatz und unabhängig von seinem Reifestadium. Das hat er ziemlich von Anfang an gehabt.

Musik 13 aus Tosca: Vissi d’arte, 47 Sekunden

Sprecherin

Von Puccini wird gesagt, er habe wenig „höhere Interessen“ gehabt. Gelesen habe er nur Groschenhefte und Abenteuerromane. Kommt daher sein Hang zu zweit- und drittklassigen Vorlagen? Der Journalist Volkmar Fischer sieht in Puccini in dieser Hinsicht eher einen Instinktmenschen.

ZSP 10 Fischer

(B)ei Puccini ist es eindeutig so, dass kein Stück, kein Roman, das Vorlage gewesen ist, so überzeugend ist wie das, was Puccini daraus gemacht hat mit Tönen und Klängen ... Ich glaube, Puccini hatte den Instinkt zu erkennen, wo er einem bestimmten Stück oder auch einem Roman etwas geben kann als Musiker, als Komponist, das praktisch über das hinausgeht, was dort steht ...

Sprecherin

Beispiel: „Tosca“. Eine Oper, in der es um politische Ideale und polizeistaatliche Willkür geht, verkörpert durch die männlichen Hauptfiguren, den Maler Cavaradossi und den Polizeichef Scarpia. Im Zentrum des Dramas steht Tosca, geliebt von Cavaradossi, begehrt von Scarpia, der von ihr sexuelle Unterwerfung verlangt als Preis für die Freilassung ihres Geliebten. Es sind rasante zwei Stunden Oper, in denen geschmachtet, gefoltert und gemordet wird. Ein wüster Reigen menschlicher Abscheulichkeiten, den keine der Hauptfiguren überlebt. Der Oper liegt der Roman eines gewissen Victorien Sardou zugrunde, der ohne Puccinis Oper vermutlich längst vergessen wäre.

ZSP 11 Fischer

Aber die „Tosca“ ist eine der meistgespielten Opern überhaupt, weil er da einfach verstanden hat, eben durch das, was er hinzufügt mit seinen Klangströmen eine Spannung zu erzeugen, die vorher (im Libretto oder) im Stück, was dem Libretto zugrunde liegt, nicht drin gewesen ist. Also es ist überhaupt keine Frage: „Tosca“ ist einer der stärksten Reißer der Operngeschichte, ... es ist ein Wurf, und es hat es auch verdient, dass es immer wieder gespielt wird, einfach weil man das noch jetzt, mit der heutigen Metoo-Debatte in Verbindung bringen will. Also eine Figur wie Scarpia heizt diese Debatten natürlich jederzeit an. Es ist einfach ein Inbegriff von übergriffiger toxischer Männlichkeit und das hat etwas absolut Zeitloses.

Sprecherin

Eine Interpretation, die Puccini selbst vermutlich zu weit gegangen wäre. Eine politische Botschaft hat er jedenfalls nie intendiert mit seiner Kunst. Entstehung und Uraufführung von „Tosca“ fielen in eine Zeit schwerer innenpolitischer Krisen. Auf den Straßen italienischer Städte gab es Unruhen und Ausschreitungen der extremen politischen Linken, die blutig niedergeschlagen wurden. Das Publikum im Teatro Costanzi wurde am Abend der Uraufführung sogar kurz von einer Bombendrohung in Atem gehalten. Und im Saal saß König Umberto, der wenig später einem Attentat zum Opfer fiel. Hat Puccini mit „Tosca“ also ein politisches Drama geschrieben?

ZSP 12 Handstein

Also es gibt kaum Zeugnisse, die von seinen politischen Ansichten künden. Er hat ja ungeheuer viele Briefe geschrieben, aber da steht wirklich nichts davon drin. Er konnte sich seitenweise über das Zubehör eines Fahrrades auslassen und über seine Jagderlebnisse erzählen. Aber es gibt wirklich kaum politische Statements. Eins gibt es aus dieser Zeit, wo er gesagt hat, wenn er jetzt dran wäre, dann würde er sofort den ganzen Parlamentarismus abschaffen, weil das sind sowieso bloß Geschwätzfabrikanten. Und an einer anderen Stelle gibt es noch die Äußerungen, die danach zielt, dass er eigentlich am liebsten einen starken Mann hätte, der autoritär regiert.

Musik 14: Storiella d’amore – 30 Sek

Sprecherin

Im 1. Weltkrieg lehnte er es ab, einen gegen Deutschland gerichteten Aufruf von Künstlern zu unterschreiben, was ihm heftige Kritik vor allem aus Frankreich eintrug. Zugleich war ist ihm jeglicher nationaler Überschwang fremd. An seine Freundin Sybil Seligman in London schrieb er:

Zitator 1

„Ich verabscheue den Krieg – ich liebe meine Heimat.“ (Zitiert nach Höslinger)

ZSP 14 Handstein

Ich glaube, das Einzige, was ihn wirklich interessiert hat, war sein Werk ... Und er hat alles diesen Werken untergeordnet. ((Also das war sein Leben, und es hat ihn interessiert, diese Werke auf die Bühne bringen zu können, was ja auch nur unter bestimmten politischen Verhältnissen geht.)) Also der Erste Weltkrieg hat da ja einige Dinge unterbunden, und deswegen war er, glaube ich, auch sehr massiv gegen den Krieg, weil er nicht mehr so international agieren konnte wie vorher.

Musik 15 aus Turandot, Gesang der Liu: Tu che di gel sei cinta, Länge: 1:33 Minuten

Sprecherin

Nach dem Krieg lebte Puccini noch einmal auf. Er unternahm viele Reisen, besuchte Festivals und Opernhäuser, beschäftigte sich mit der Musik seiner Zeit, mit Strauss, Schönberg, Strawinsky. Er kaufte sich eine neue Lancia-Limousine, begeisterte sich für das Radio und zog noch einmal um. Da in Torre del Lago ein Industriezentrum entstand, ließ er sich im nahen Viareggio eine neue Villa bauen. Und er arbeitete fieberhaft an seiner nächsten Oper, Turandot, die zugleich seine letzte werden sollte und Fragment blieb. Kurz vor der Vollendung der Oper, kurz vor dem großen Schlussduett, starb Puccini an den Folgen einer Kehlkopfoperation.

Die Oper bricht dort ab, wo die Sklavin Liu sich erdolcht, um nicht unter Folter den Namen ihres Geliebten preisgeben zu müssen. An dieser Stelle ließ der Dirigent Arturo Toscanini die Uraufführung 1926 in Mailand enden.

Musik kurz hoch

Puccinis Librettist Giuseppe Adami.

Zitator 2

„Das Schicksal hat bestimmt, dass Puccini die Augen zugleich mit seiner letzten Kreatur schließen sollte, mit der kleinen Liu; mit einem Gesang, der schüchtern und rührend, voller Zärtlichkeit in Güte und Poesie ausklang.“


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Kitsch oder Kult? Kolportage oder Kunst? Wie auch immer: Giacomo Puccinis "La Boheme", "Tosca" und "Turandot" ziehen bis heute die Menschen in die Opernhäuser der Welt. Puccini war Weltstar, Schwermütiger, Auto- und Techniknarr, eine vielseitige, oft widersprüchliche, immer aber faszinierende Figur. Von Christian Schuler

Credits
Autor dieser Folge: Christian Schuler
Regie: Kirsten Böttcher
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Jörg handstein, Autor und Kritiker
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Richard Erkens (Hg.): Puccini-Handbuch, Gemeinschaftsausgabe der Verlage Metzler, Stuttgart, und Bärenreiter, Kassel, © Springer-Verlag GmbH, Stuttgart 2017.
Giuseppe Adami (Hg.): Puccini. Ein Musikerleben, mit 240 eigenen Briefen, Berlin o.J. (vermutlich 1930er Jahre).
Clemens Höslinger: Puccini. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1984.
Dieter Schickling: Puccini. Biographie. München 2017.
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ZSP 1 Fischer

Es ist einfach so, dass Puccini mit bestimmten Tricks arbeitet. Und da würde ich vor allem die Oktavierung der Gesangslinie nennen. Das heißt eine bestimmte Melodie, die gesungen wird, wird gleichzeitig im Orchester aufgegriffen und eben in Oktaven, in Oktavparallelen verstärkt.

Musik hoch

(Forts. ZSP 1 Fischer) Und man kann einfach sagen, dadurch wird das Gefühlspedal voll durchgetreten in einer Form, wie es das bisher nicht gab in der Operngeschichte.

Sprecherin

Sagt ein Kenner und Liebhaber von Giacomo Puccini, der Journalist Volkmar Fischer. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem italienischen Komponisten, seinen Stilmitteln, seinen Kniffen – und ist dennoch immer wieder hingerissen.

ZSP 2 Fischer

Ja, man ist da eigentlich klüger als die Musik. Vielleicht liegt es daran, dass er halt im ganzen einen Tonfall ... kreiert, der am gesprochenen Wort angelehnt ist ... Er hat seine Librettisten da schon haben wollen, dass das dann praktisch so wirkt, als würden die sich mehr oder weniger ganz normal unterhalten, diese Leute. Und vor diesem Hintergrund ..., mit der die Boheme zum Beispiel losgeht, eine halbe Stunde lang, wirkt es umso stärker, wenn dann eben (auf das Gefühlspedal getreten wird, indem) sich Melodien plötzlich groß ausbreiten und das Orchester sich drauf setzt ... man erliegt dem, selbst wenn man durchschaut, wie es konstruiert ist.

Sprecherin

Genau aus diesem Grund hat Igor Strawinsky Puccini als ein „Genie der Sentimentalität“ bezeichnet.

Musik 2: Nessun dorma! 53 Sek

ZSP 3 Fischer

Und selbst ein Anton Webern, der atonal komponierte, zwölftönig, der hat gesagt: Nein, Puccini, das ist kein Kitsch. Das ist höchste Kunst, wie er den Bogen spannt, von ungeheuer zarten Farben bis zu exzessiven Eruptionen, immer bezogen auf, sagen wir mal: Liebesschmerz. Es ist für ihn ganz zentral, dass Liebe mit Schmerz verbunden ist und auch mit Tod. Und da ist er eigentlich Extremist. Also ich wüsste nicht, wer das sonst so bis zum Geht-nicht-mehr ausgelotet hätte.

Musikwechsel in Musik 3: „End titles“ – 54 sek

Sprecherin

An dieser „genialen Sentimentalität“ scheiden sich die Geister. Und daran schieden sie sich schon zu Puccinis Lebzeiten.

Zitator 2

„Eine vergängliche Kunst, wie schlechter Journalismus, wie minderwertige Literatur.“

Sprecherin

So der Schriftsteller Fausto Torrefranca im Jahr 1912. Und der Kritiker der Turiner Zeitung „Stampa“ schrieb nach der Uraufführung der Oper „La Bohème“:

Zitator 2

„So wie die Bohème keinen tiefen Eindruck auf das Gemüt der Zuhörer hinterlässt, so wird sie auch keine große Spur in der Geschichte unseres Operntheaters hinterlassen, und es wird gut sein, wenn sie der Autor wie den Irrtum eines Augenblicks betrachtet ...“

Musik 4: Sì, mi chiamano Mimì. Arie der Mimì – 55 sek

Sprecherin

Ausgerechnet „La Bohéme“, eines der meistaufgeführten Werke der Operngeschichte. Überhaupt die Kritiker, die sogenannten Fachleute, sie wurden regelrecht überrollt von der Wucht dieser Musik und ihres Erfolgs. Dass Puccinis Opern gelegentlich zur Rührseligkeit neigen, zum Seichten und Süßlichen, bestreiten nicht einmal seine glühendsten Anhänger. Aber könnte etwas, was künstlerisch wertlos ist, so dauerhaft und langlebig sein? Können die Millionen von Opernfans irren, die bis heute die Säle füllen, wenn „La Bohème“, „Tosca“ oder „Madama Butterfly“ gespielt werden? Der Puccini-Biograph Dieter Schickling:

Zitator 2

„Puccini hat nie behauptet, dass er ein bedeutender Komponist sei. Er sagte stattdessen wieder und wieder, er wolle nur, dass seine Werke dem Publikum gefallen. Beides ist bekanntlich nicht das gleiche. Bei Puccini denkt man manchmal, hier sei das der Fall.“ (Schickling)

Musik5 : Puccini auf der Orgel: – 35 Sek

Sprecherin

Giacomo Puccini stammte aus einer Musikerfamilie und war eigentlich Giacomo der Zweite. Seine Ahnenreihe lässt sich vier Generationen zurückverfolgen, bis zu Giacomo dem Ersten, der aus einem toskanischen Bergdorf stammte und sich später in Lucca niederließ. Die Puccinis prägten als Organisten, Komponisten, Kapellmeister und Musiklehrer das musikalische Leben dieser kleinen, aber stolzen Stadt, die musikalisch einiges zu bieten hatte.

ZSP 4 Handstein

Er sollte ja wirklich in die Fußstapfen seines Vaters treten, als Organist und Kapellmeister und hat sehr früh angefangen an der Orgel. Ich glaube, mit fünf oder sechs Jahren hat ihn der Vater schon an die Orgel gesetzt ... Und er hat gelernt, wie man halt das Handwerk lernt, also Orgelspiel, Choräle später dirigieren. In Lucca gab es eine sehr gute Musikschule, fast eine Art Konservatorium, und da hat er auch das volle Programm gelernt. Und er war eigentlich dann auch fit für die Kirchenmusik ... Aber in Lucca gab es auch eine Oper, ein Opernhaus sogar, und da hat ihn einfach auch ja das Bühnengeschehen angefixt und die Geschichten, die dort erzählt wurden...

Sprecherin

Der Musikschriftsteller Jörg Handstein.

Das Maß aller Dinge in Sachen Oper war zur Zeit von Puccinis Jugend Giuseppe Verdi. Puccini wurde auf Verdi durch seinen Lehrer am Konservatorium in Lucca aufmerksam gemacht und studierte als junger Mann angeblich fleißig die Partituren von „La Traviata“, „Rigoletto“ und „Il Trovatore“. Dann kam das Frühjahr 1876.

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Sprecherin

In Pisa, hieß es, werde „Aida“ gegeben. Der 17-jährige Puccini machte sich auf den Weg, zu Fuß. Gut vier Stunden braucht man von Lucca nach Pisa. Der Eindruck, den Aida auf Puccini machte, scheint überwältigend gewesen zu sein.

Zitator 1

„Es war, als ob sich mir die musikalische Pforte eröffnet hätte.“

(Zitat kommt bei Höslinger vor, als Quelle gibt er das Buch von Torrefranca von 1912 an)

Sprecherin

Und spätestens seit diesem Abend soll er sich über seine Bestimmung im Klaren gewesen sein: er wollte Opernkomponist werden. Oder in den Worten des über 60-Jährigen an seinen Librettisten Giuseppe Adami:

Zitator 1

„Ich kam vor langer Zeit auf die Welt, vor gar zu langer Zeit, es mag ein Jahrhundert her sein ... und Gott berührte mich mit dem kleinen Finger und sprach: ‚Schreibe fürs Theater; hüte dich: nur fürs Theater‘ – und ich habe den höchsten Rat befolgt.“ (zitiert nach Adami)

Musik 7: 2. Aufzug aus Parsifal – 47 Sekunden

Sprecherin

Auch wenn schon bald nicht mehr Verdi sein Idol war, sondern Richard Wagner. Er galt dem jungen Studenten als Inbegriff musikalischer Modernität. Wagner stand für die Überwindung des Belcanto und der alten Nummernoper, ihrer formalen Enge, ihrer inhaltlichen Klischees. Eine von Puccinis ersten Anschaffungen nach dem Wechsel ans Konservatorium von Mailand soll eine Partitur von Wagners Oper „Parsifal“ gewesen sein, die er sich im wahrsten Sinne vom Mund abgespart hatte.

ZSP 5 Handstein

Die Familie ist ja verarmt, weil sein Vater sehr früh gestorben ist. Und es war eine große Familie mit fünf bis sieben Kindern. Und die Mutter konnte die Familie schon kaum durchbringen, und das Studium hätte sie niemals bezahlen können. Und er hat es eigentlich nur geschafft, weil er von der Königin höchstpersönlich ein Stipendium bekommen hat. Und das ist aber nach einem Jahr ausgelaufen, und er musste wirklich von der Hand in den Mund leben.

Sprecherin

Armut, Kälte, Krankheit, all das, was später die studentische Szenerie in La Bohème kennzeichnet, hat Puccini in Mailand selbst erlebt, wie er in einem Interview bekannte.

Musik 8: „Introduction aus: La Bohème“- 26 Sekunden

Zitator 1

„Wenn Sie den Vorhang zum ersten Akt von La Boheme aufgehen sehen, erleben sie den armen Musikstudenten Giacomo Puccini ... Ich ernährte mich von Brot, Bohnen und Heringen und fror manchmal so sehr, dass ich tatsächlich wie Rodolfo in der Oper die Manuskripte meiner ersten Kompositionsversuche verbrannte, um mich zu wärmen ...“ (Interview ist von 1904, abgedruckt in einem Buch von 1973, 2. Auflage)

Sprecherin

Auch mit dem Abschluss seines Studiums in Mailand besserte sich seine Situation erst einmal nicht. Er arbeitete an seiner ersten Oper „Le Villi“ und bewarb sich mit ihr bei einem Preisausschreiben. Er gewann zwar keinen Preis, erregte aber die Aufmerksamkeit des einflussreichen Musikverlegers Giulio Ricordi. Ricordi wurde in der Folgezeit für Puccini so etwas wie ein väterlicher Freund, der ihn nach Kräften förderte. Ricordi finanzierte ihm eine Reise zu den Bayreuther Festspielen, zahlte Vorschüsse, schlug geeignete Opernstoffe vor, vermittelte Librettisten.

Auch mit Ricordis Hilfe wurde Puccinis erste Oper ein beachtlicher Erfolg, der von der Presse überschwänglich bejubelt wurde:

Zitator 2

„Wir glauben fest, dass Puccini jener Komponist ist, den Italien seit langer Zeit erwartet.“

Musik 9: 1. Akt, „Manon Lescaut“ (instr.), Archivnummer M0040311 101 - 34 Sekunden

Sprecherin

Und Puccini enttäuschte seine Landsleute nicht. Die Oper „Manon Lescaut“, uraufgeführt 1893 in Turin, verhalf ihm endgültig zum Durchbruch: das Publikum reagierte enthusiastisch, 30 Vorhänge, überwiegend positive Kritiken. Noch im selben Jahr wurde die Oper in Buenos Aires, St. Petersburg, Madrid und Hamburg gespielt. Sie brachte auch finanziell die Wende für den Komponisten.

ZSP 6 Handstein

Er hat an dieser Oper schon sehr lange gearbeitet ... Und über all diese Jahre war er noch ebenso arm wie zuvor, bloß dass er jetzt auch noch eine Familie am Hals hatte, nämlich seine Lebensgefährtin Elvira, die ja noch die Ehefrau eines anderen Mannes war, die ein Kind aus der anderen Ehe mitgebracht hat. Und Puccini hat in der Zwischenzeit selber mit ihr noch ein Kind gehabt. Das heißt, es war eine vierköpfige Familie, die irgendwie leben musste. ... Und dann ging auf einmal die Oper durch die Decke, und er hat unfassbar viel verdient. Er selbst hat von 40.000 Lire gesprochen.

Sprecherin

Zwar musste Puccini Vorschüsse und Schulden zurückzahlen, aber die Zeit der Entbehrungen war zu Ende.

ZSP 7 Handstein

Er konnte sich erstmals was kaufen, was nicht unbedingt zum Leben nötig war. Und eine der ersten Sachen, die er gemacht hat, ist, dass er sich ein Fahrrad gekauft hat, was damals noch ein sehr exklusives Vergnügen war.

ATMOS italienische Landschaft, Seeufer

Sprecherin

Schon zwei Jahre zuvor war er in einen abgelegenen Ort am Lago di Massaciucolli übergesiedelt, nach Torre del Lago, wo er mit seiner Familie zunächst zur Miete wohnte. Einige Jahre später, nach dem Erfolg von „La Bohème“, wird er sich dort ein Seegrundstück zulegen und eine Villa bauen, die heute ein Museum und nationales Kulturerbe ist.

Zitator 1

„Torre del Lago – höchste Freude, Paradies, Eden, siebter Himmel ... 120 Einwohner, 12 Häuser, stilles Land, mit der wunderbaren Macchia bis zum Meer ... Hier habe ich die Abgeschiedenheit gefunden, die für mich unbedingt notwendig ist, um zu komponieren.“ (Zitiert nach Adami)

Sprecherin

In Torre del Lago, das für 30 Jahre seine Heimat wird, entstanden die meisten von Puccinis Opern: „La Fanciulla del West“, die drei Kurzopern von „Il Trittico“, zuletzt auch noch Skizzen zur unvollendeten „Turandot“. Vor allem aber - bis 1904 - die drei Opern, die bis heute seinen Weltruhm begründen: „La Bohème“, „Tosca“ und „Madama Butterfly“.

Musik 10: Avanti urania – 1:12 Minuten

In Torre del Lago änderte sich auch sein Lebensstil. Er ging zur Jagd, fuhr mit einem seiner Boote auf den See, um zu fischen, machte Ausflüge mit dem Auto und veranstaltete Gelage mit den Einheimischen, bei denen getrunken, geraucht und Karten gespielt wurde, sehr zum Leidwesen seiner Frau Elvira, die in Torre del Lago einsam und unglücklich gewesen sein soll und sich lieber in Mailand aufhielt. Puccini und Elvira, eine leidenschaftliche und – nicht zuletzt durch Puccinis zahlreiche Affären - schwierige, krisengeschüttelte Liebe, die aber bis zu Puccinis Tod hielt.

Komponiert hat er in Torre de Lago vor allem am Abend und in der Nacht, wie sein Librettist Giuseppe Adami schreibt:

Zitator 2

„Nachmittags setzte er sich ans Klavier, bis elf Uhr abends, auch bis 2 Uhr nachts, trank riesige Mengen Kaffee und rauchte eine ungeheure Anzahl von Zigarren und Zigaretten. Mit seinem großen Bleistift schrieb er noch bis zum Morgengrauen ...“ (Zitiert nach Adami)

ZSP 8 Handstein

Also er hat äußerst sorgfältig gearbeitet und damit auch sehr langsam.

Also er hat sich wirklich reingelebt. Und er hat auch gesagt, er kann keine Oper schreiben, wenn er sie nicht mitempfindet. Und es ging so weit, dass er sich sozusagen in seine Frauengestalten verliebt hat ... Am meisten geliebt hat er die Madame Butterfly. Das hat er gesagt.

Musik 11: Madama Butterfly: Un bel di vedremo, 40 Sek

Sprecherin

„Madama Butterfly“, die tragische Liebesgeschichte der Geisha Cio-Cio-San und des amerikanischen Marineoffiziers Pinkerton, spielt in Japan, „La Bohème“ in Paris, „La Fanciulla del West“ im Goldgräbermilieu der Vereinigten Staaten, „Turandot“ greift ein chinesisches Sujet auf. Es sind Geschichten aus unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Kulturen, die Puccini vertont. Und für jede Oper vertieft er sich in die Klangwelt der jeweiligen Länder und Erdteile, in denen die Handlung angesiedelt ist, um seinen Opern das entsprechende Kolorit zu geben.

Musik 12: Butterfly mit japanischem Kolorit: Coro a bocca chiusa, - 1:10 Minuten

Zitator 1

„Ich habe jetzt Besuch gehabt von Frau Ohyama, der Frau des japanischen Gesandten. Sie hat mir viele interessante Dinge gesagt und mir Lieder aus ihrer Heimat vorgesungen, Sie versprach mir, Noten von der Musik ihres Heimatlandes schicken zu lassen.“ (Zitiert nach Adami)

ZSP 9 Fischer

Es ist natürlich ein Einfühlungsvermögen, das ihn ausgezeichnet hat, je nach Sujet, je nach Figurenkonstellation. Und er hat da, glaube ich, auch Ambitionen gehabt, dass ihm keiner nachsagt: Der hat ja immer nur die gleiche Oper geschrieben ... Aber für Puccini gilt es nun wirklich, dass er sich chamäleonartig angepasst hat, je nachdem, was nötig war. Während das aber vor allem für das Orchester gilt, für die Orchester-Handhabung, und nicht so sehr für die Führung der Gesangsstimmen. Ich finde schon, es gibt einen typischen Stil, der Puccini eigen ist, wie er Stimmen führt und wie er sie praktisch aus diesem dem Alltag Angenäherten herausführt und emotional praktisch explodieren lässt. Und das ist zweifellos eine ganz persönliche Handschrift, wie Puccini-Gesang funktioniert, und das ist auch unabhängig vom Schauplatz und unabhängig von seinem Reifestadium. Das hat er ziemlich von Anfang an gehabt.

Musik 13 aus Tosca: Vissi d’arte, 47 Sekunden

Sprecherin

Von Puccini wird gesagt, er habe wenig „höhere Interessen“ gehabt. Gelesen habe er nur Groschenhefte und Abenteuerromane. Kommt daher sein Hang zu zweit- und drittklassigen Vorlagen? Der Journalist Volkmar Fischer sieht in Puccini in dieser Hinsicht eher einen Instinktmenschen.

ZSP 10 Fischer

(B)ei Puccini ist es eindeutig so, dass kein Stück, kein Roman, das Vorlage gewesen ist, so überzeugend ist wie das, was Puccini daraus gemacht hat mit Tönen und Klängen ... Ich glaube, Puccini hatte den Instinkt zu erkennen, wo er einem bestimmten Stück oder auch einem Roman etwas geben kann als Musiker, als Komponist, das praktisch über das hinausgeht, was dort steht ...

Sprecherin

Beispiel: „Tosca“. Eine Oper, in der es um politische Ideale und polizeistaatliche Willkür geht, verkörpert durch die männlichen Hauptfiguren, den Maler Cavaradossi und den Polizeichef Scarpia. Im Zentrum des Dramas steht Tosca, geliebt von Cavaradossi, begehrt von Scarpia, der von ihr sexuelle Unterwerfung verlangt als Preis für die Freilassung ihres Geliebten. Es sind rasante zwei Stunden Oper, in denen geschmachtet, gefoltert und gemordet wird. Ein wüster Reigen menschlicher Abscheulichkeiten, den keine der Hauptfiguren überlebt. Der Oper liegt der Roman eines gewissen Victorien Sardou zugrunde, der ohne Puccinis Oper vermutlich längst vergessen wäre.

ZSP 11 Fischer

Aber die „Tosca“ ist eine der meistgespielten Opern überhaupt, weil er da einfach verstanden hat, eben durch das, was er hinzufügt mit seinen Klangströmen eine Spannung zu erzeugen, die vorher (im Libretto oder) im Stück, was dem Libretto zugrunde liegt, nicht drin gewesen ist. Also es ist überhaupt keine Frage: „Tosca“ ist einer der stärksten Reißer der Operngeschichte, ... es ist ein Wurf, und es hat es auch verdient, dass es immer wieder gespielt wird, einfach weil man das noch jetzt, mit der heutigen Metoo-Debatte in Verbindung bringen will. Also eine Figur wie Scarpia heizt diese Debatten natürlich jederzeit an. Es ist einfach ein Inbegriff von übergriffiger toxischer Männlichkeit und das hat etwas absolut Zeitloses.

Sprecherin

Eine Interpretation, die Puccini selbst vermutlich zu weit gegangen wäre. Eine politische Botschaft hat er jedenfalls nie intendiert mit seiner Kunst. Entstehung und Uraufführung von „Tosca“ fielen in eine Zeit schwerer innenpolitischer Krisen. Auf den Straßen italienischer Städte gab es Unruhen und Ausschreitungen der extremen politischen Linken, die blutig niedergeschlagen wurden. Das Publikum im Teatro Costanzi wurde am Abend der Uraufführung sogar kurz von einer Bombendrohung in Atem gehalten. Und im Saal saß König Umberto, der wenig später einem Attentat zum Opfer fiel. Hat Puccini mit „Tosca“ also ein politisches Drama geschrieben?

ZSP 12 Handstein

Also es gibt kaum Zeugnisse, die von seinen politischen Ansichten künden. Er hat ja ungeheuer viele Briefe geschrieben, aber da steht wirklich nichts davon drin. Er konnte sich seitenweise über das Zubehör eines Fahrrades auslassen und über seine Jagderlebnisse erzählen. Aber es gibt wirklich kaum politische Statements. Eins gibt es aus dieser Zeit, wo er gesagt hat, wenn er jetzt dran wäre, dann würde er sofort den ganzen Parlamentarismus abschaffen, weil das sind sowieso bloß Geschwätzfabrikanten. Und an einer anderen Stelle gibt es noch die Äußerungen, die danach zielt, dass er eigentlich am liebsten einen starken Mann hätte, der autoritär regiert.

Musik 14: Storiella d’amore – 30 Sek

Sprecherin

Im 1. Weltkrieg lehnte er es ab, einen gegen Deutschland gerichteten Aufruf von Künstlern zu unterschreiben, was ihm heftige Kritik vor allem aus Frankreich eintrug. Zugleich war ist ihm jeglicher nationaler Überschwang fremd. An seine Freundin Sybil Seligman in London schrieb er:

Zitator 1

„Ich verabscheue den Krieg – ich liebe meine Heimat.“ (Zitiert nach Höslinger)

ZSP 14 Handstein

Ich glaube, das Einzige, was ihn wirklich interessiert hat, war sein Werk ... Und er hat alles diesen Werken untergeordnet. ((Also das war sein Leben, und es hat ihn interessiert, diese Werke auf die Bühne bringen zu können, was ja auch nur unter bestimmten politischen Verhältnissen geht.)) Also der Erste Weltkrieg hat da ja einige Dinge unterbunden, und deswegen war er, glaube ich, auch sehr massiv gegen den Krieg, weil er nicht mehr so international agieren konnte wie vorher.

Musik 15 aus Turandot, Gesang der Liu: Tu che di gel sei cinta, Länge: 1:33 Minuten

Sprecherin

Nach dem Krieg lebte Puccini noch einmal auf. Er unternahm viele Reisen, besuchte Festivals und Opernhäuser, beschäftigte sich mit der Musik seiner Zeit, mit Strauss, Schönberg, Strawinsky. Er kaufte sich eine neue Lancia-Limousine, begeisterte sich für das Radio und zog noch einmal um. Da in Torre del Lago ein Industriezentrum entstand, ließ er sich im nahen Viareggio eine neue Villa bauen. Und er arbeitete fieberhaft an seiner nächsten Oper, Turandot, die zugleich seine letzte werden sollte und Fragment blieb. Kurz vor der Vollendung der Oper, kurz vor dem großen Schlussduett, starb Puccini an den Folgen einer Kehlkopfoperation.

Die Oper bricht dort ab, wo die Sklavin Liu sich erdolcht, um nicht unter Folter den Namen ihres Geliebten preisgeben zu müssen. An dieser Stelle ließ der Dirigent Arturo Toscanini die Uraufführung 1926 in Mailand enden.

Musik kurz hoch

Puccinis Librettist Giuseppe Adami.

Zitator 2

„Das Schicksal hat bestimmt, dass Puccini die Augen zugleich mit seiner letzten Kreatur schließen sollte, mit der kleinen Liu; mit einem Gesang, der schüchtern und rührend, voller Zärtlichkeit in Güte und Poesie ausklang.“


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